Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
immerhin schon etwas.«
»Dieses Fest hat stattgefunden. Mehrere Personen hatten sich an diesem Abend sogar einen Babysitter besorgt. Sie kamen zu einer normalen Zeit nach Hause, und so weiter.«
»Das hast du geprüft?«
»Ja.«
»Ausgezeichnet. Gute Polizeiarbeit, wirklich ausgezeichnet. Aber haben Kanaken Babysitter? Ich habe immer geglaubt, die hätten Tanten, Großmütter und so weiter.«
»Hab ich auch gedacht. Aber die hier sind, wie soll ich sagen, recht zivilisiert. Einer von ihnen ist Chirurg an der Thorax-Klinik in Göteborg, verpflanzt Herzen und so. Ein anderer ist Dozent für orientalische Literatur, und andere haben ebenfalls akademische Berufe.«
»Zwei der verdächtigen Mörder von Säk sind also Ärzte?« lachte Rune Jansson auf. Kapitän Seebär lächelte zögernd, als wäre auch er dabei, seine erstickte Wut zu überwinden.
»Nun, vielleicht sollten wir jetzt versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren und mit der normalen Polizeiarbeit fortzufahren, zumindest hier in Norrköping«, begann Rune Jansson mit plötzlich erneuerter Energie. »Ich schlage vor, wir pfeifen bis auf weiteres auf Säk. Wir machen mit unserer Arbeit weiter und versuchen mit Hilfe unseres eigenen Materials einen Mörder zu fassen.«
»Genau meine Meinung.«
»Was haben die Verhöre ergeben?«
»Wir haben etwa fünfundsiebzig Prozent der Nachbarschaft abgegrast, bisher aber nichts gefunden, was die Alarmglocken schrillen läßt.«
»Hm. Verfolgt diese Sache aber weiter, soweit es geht. Nehmt euch die Zeit, die ihr braucht, um von Tür zu Tür zu gehen und alle Spuren zu verfolgen. Dann habe ich noch einen Ansatz. Wir sollten versuchen, dieser Nazi-Frage irgendwie nachzuspüren. Diese Tante hat eine ganze Reihe von Personenangaben gemacht, Angaben über alte Freunde, die wir mal unter die Lupe nehmen sollten. Das ist zwar zeitraubend, aber dabei können wir unsere Kräfte zumindest für etwas Vernünftiges einsetzen, während Säk mit der Nase am Boden schnuppert, um etwas bei ihren Kurden zu finden.«
Kapitän Seebär nickte, stand auf und wollte gerade gehen, als das Telefon läutete. Kaum hatte Rune Jansson gehört, wer am Apparat war, als er seinem Kollegen mit der Hand ein Zeichen gab zu bleiben. Er schaltete den Mithörlautsprecher ein, so daß das Gespräch im ganzen Zimmer zu hören war.
Es war die Generalswitwe af Klintén, die anrief. Ihr Tonfall machte sie zwar noch zu einer Generalswitwe, aber sonst war sie außer sich vor Zorn. Was jetzt in der Zeitung stehe, mache jede künftige Zusammenarbeit unmöglich. Rune Jansson oder »Herr Jansson«, wozu er plötzlich degradiert wurde, habe ja gewisse Zusagen oder vielmehr bestimmte Versprechungen gemacht, was Publizität betreffe. Und jetzt werde sie mit ihrem Sohn sprechen, dem Senatspräsidenten, außerdem mit ihrem Anwalt und möglicherweise mit dem gesamten höchsten Gericht, um Rune Janssons Entlassung zu bewirken. Was weitere Aussagen von ihr angehe, könne er sich auf dem Mond danach umsehen. Und damit warf sie den Hörer auf die Gabel.
Die beiden Beamten wechselten schnell einen Blick und gingen mit entschlossenen Schritten zum Fahrstuhl. Sie fuhren ins obere Stockwerk zur Cafeteria und entrissen einem bestürzten Kollegen ein Exemplar von Expressen.
Was sie auf der ersten Seite entdeckten, trieb ihnen vor Wut fast die Tränen in die Augen.
TERRORMORDE RACHEAKT AN NAZIS hieß es dort. Und auf ganzen drei Doppelseiten fanden sich Fotos von af Klinténs Herrenhaus, Luftaufnahmen, ferner Bilder von der Villa in Uppsala, Fotos der beiden alten Offiziere in Uniform, die mit schraffierten Hakenkreuzen unterlegt waren, und, was vielleicht am schlimmsten war, es fand sich dort eine ausführliche und wollüstig exakte Beschreibung dessen, wie General af Klintén nach dem Mord ausgesehen hatte.
Quellen bei der Sicherheitspolizei zufolge suchte die Polizei, ja, jetzt also auch die richtige Polizei, nach Terroristen mit deutschem oder türkischem Hintergrund.
»Ich glaube, ich werde verrückt«, flüsterte Kapitän Seebär heiser, als er die Zeitung dem erstaunten Kollegen über den Tisch hinschob, dem sie das Blatt entrissen hatten. »Verdammt noch mal, ich glaube, ich drehe durch. Wie können sie es wagen!«
Auf diese Frage gab es keine Antwort. Da sie ohnehin schon in der Cafeteria waren, holten sie sich eine Tasse Kaffee und setzten sich an einen Fenstertisch.
»Ich will verdammt sein, wenn ich das begreife«, nahm Kapitän Seebär nach einem langen,
Weitere Kostenlose Bücher