Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
sind ja trotz allem in Schweden und keine Amerikaner.«
»Schweden und ein Finnlandschwede, if you don’t mind, Sir «, wandte Åke Stålhandske ein. Dann gingen sie gemeinsam in die Küche, um ihr Fleisch zu grillen.
Carl hatte die Coca-Cola-Alternative gefürchtet und einige Flaschen Bordeaux aus seinem momentanen Lieblingsgebiet Saint-Estèphe mitgebracht.
Das Essen bestand aus drei riesigen Steaks, einem Päckchen tiefgefrorenen Mais und tiefgekühlten grünen Bohnen, und kurze Zeit später stand alles auf dem Tisch.
Joar trank gern Rotwein zum Fleisch. Das sagte er wenigstens, während Åke hartnäckig bei Coca-Cola blieb, denn wenn schon kalifornisch, dann richtig, betonte er. Die beiden anderen betrachteten es nur als eine Ausflucht. Åkes eigentliche Persönlichkeit war amerikanisch genug, um Coca-Cola den Vorzug zu geben, excuse or no excuse.
»Gentlemen, einen Toast auf Operation Truth-finding«, sagte Carl im einzigen feierlichen Augenblick der Mahlzeit.
Denn das Gesprächsthema kroch unaufhaltsam näher heran.
Carl hatte ein schlechtes Gewissen, weil er sich in der letzten Zeit mit so vielen anderen Dingen beschäftigt hatte, nämlich dem eigentlichen Job, der Sowjetunion, und er es Åke und Joar zugemutet hatte, das unendlich langwierige Herumwühlen in Reichsarchiv und Kriegsarchiv zu erledigen.
Er entschuldigte sich dafür auch ein wenig, bevor er nach I- deen und Entdeckungen der jüngsten Zeit zu fragen begann. Unter anderem wollte er etwas über die Bilder aus Primorsk wissen.
Die Russen hatten ihre Taktik modifiziert. Das Vorhaben, auf schwedischem Territorium feste Unterwasserbasen zu errichten, hatten sie hoffentlich aufgegeben. Jedenfalls gab es keinerlei Hinweis auf das Gegenteil.
Die drei Männer in der Küche kannten den Grund. Gerade diese drei mußten besser als jeder andere auf schwedischer Seite darüber Bescheid wissen, denn dies war das Geheimnis, das sie zusammenschweißte. Unterwasserbasen auf schwedischem Territorium liefen nämlich Gefahr, von drei Tauchspezialisten mit einem bestimmten kalifornischen Hintergrund gesprengt zu werden.
Die Russen waren also zu einer beweglichen Taktik übergegangen, bei der die eigene Ostseeküste als Ausgangsbasis fungierte. Jetzt hatte es in der internationalen Presse einiges Aufsehen gegeben, weil die Deutschen vor einem Jahr im Kieler Hafen ein Mini-U-Boot entdeckt hatten. Anschließend hatten sie ein eigenes U-Boot bis nach Primorsk entsandt. Es war der Besatzung gelungen, einige technisch einwandfreie Bilder mit nach Hause zu bringen, die ein Mutterschiff der Mini-U-Boote zeigten. Es waren ausgezeichnete Bilder, wie Carl versichern konnte, da er sie selbst gesehen hatte. Das Problem bestand darin, daß die Fotos unmöglich von einer Position außerhalb der sowjetischen Territorialgewässer hätten aufgenommen werden können. Also handelte es sich völkerrechtlich gesehen um Spionage, und somit wurden die Bilder nie veröffentlicht.
Wenn jetzt über die Sache geschrieben wurde, konnte natürlich von Anfang bis Ende dementiert werden.
Auch wenn man die Kühnheit und Geschicktheit der Operation anerkannte, so war es doch ein ewiges Glück, daß die Deutschen auf sowjetischem Territorium nicht entdeckt worden waren. Wenn ja, wäre alles auf den Kopf gestellt worden. Die Russen hätten nicht vermeiden können, daraus eine große Sache zu machen, und anschließend hätten die regierungsnahe Presse und das Regierungsfernsehen in Schweden wochenlang darüber lamentiert, ob nicht bestimmte unerklärliche U-Boot-Besuche in Schweden nicht eher aus deutschen als aus sowjetischen Heimathäfen erfolgt seien. Dann hätte der Generalstab sich entscheiden müssen. Er hätte russische U-Boot-Besuche in Schweden entweder germanisieren, oder aber Material veröffentlichen müssen, das genau zeigte, wie weit der schwedische Nachrichtendienst in der Kunst gekommen war, das eine U- Boot von dem anderen zu unterscheiden.
Carl erzählte ziemlich unbekümmert von diesen Dingen, obwohl Joar und Åke, selbst als Offiziere des schwedischen Nachrichtendienstes, keinerlei Recht hatten, sie zu erfahren. Das Verbot gelte aber ohnehin nicht für sie, wie Carl meinte, da sie im Unterschied zu Stabsoffizieren oben im »Pennergon« - dem Komplex der schwedischen Streitkräfte am Lidingövägen, in dem Carl, aber nicht die beiden anderen arbeiteten - an der geheimsten aller Operationen des schwedischen Nachrichtendienstes seit Ende des Zweiten Weltkrieges teilgenommen
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