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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Seite 171 im Bericht der Sandler-Kommission.
    Es geht um eine Frau in der norwegischen Widerstandsbewegung, die englischen Piloten geholfen hatte zu fliehen, oder was sie sonst Unschwedisches verbrochen hatte… die sollte natürlich ausgewiesen werden, und an der Grenze wurde sie von der Gestapo abgeholt. Sie landete dann in einem Konzentrationslager. Also: ›Daß die N., als sie über die Grenze abgeschoben wurde, von deutscher Grenzpolizei in Empfang genommen wurde, war nicht ungewöhnlich. So war nämlich zur fraglichen Zeit mit allen Flüchtlingen verfahren worden, die über die schwedisch-norwegische Grenze nach Norwegen abgeschoben wurden.‹ «
    »Haben sie norwegische Flüchtlinge an die Gestapo ausgeliefert?« fragte Carl zweifelnd.
    »Nein, nicht Flüchtlinge«, erwiderte Åke Stålhandske mit plötzlich gedämpftem Tempo. »Nicht Flüchtlinge. Alle Flüchtlinge , steht hier. Alle Flüchtlinge, die sie aus Schweden rauswarfen, landeten im Maul der Gestapo.«
    Es wurde plötzlich still im Raum.
    »Nun, und was passierte dann mit dem norwegischen Widerstandskämpfer Hjelmen?« fragte Joar Lundwall mit einer Stimme, die er nicht recht in der Gewalt hatte.
    »Er wurde geköpft. Am 30. Mai 1944 wurde er zusammen mit seinem Kumpel Pettersen, oder wie der hieß, von den Deutschen geköpft«, erwiderte Stålhandske schnell, als hätte er jetzt endlich seine Pointe.
    »Geköpft?« fragte Joar Lundwall ungläubig. »Was soll das heißen, geköpft?«
    »Was schon? Die Deutschen haben das damals gemacht. Mit der Guillotine geköpft. Wegen Verbrechen gegen das Deutsche Reich, und so weiter. Dieser Hjelmen hatte ja sogar während der ganzen Zeit der Besetzung Norwegens in schwedischen Gefängnissen gesessen, bis die schwedische Säpo ihn an die Gestapo auslieferte. In einem der Gnadengesuche wird folglich der Einwand vorgebracht, und zwar von einem norwegischen Rechtsanwalt, daß Hjelmen ja während der Besetzung Norwegens dem norwegischen Nationalsozialismus oder so kaum geschadet haben könne, da er während der ganzen Zeit in einem schwedischen Gefängnis gesessen habe. Doch dieser Einwand half nicht. Ein anderer Anwalt versuchte es damit, Hjelmen habe Lappenblut in den Adern und sei folglich ein besonders kindlicher Typ, den man nicht ernst nehmen könne, denn die Lappen seien ein Naturvolk, das gar nicht wisse, was es tue, und so weiter. Aber der Einwand blieb ebenfalls fruchtlos. Der Teufel mag wissen, ob es überhaupt sehr klug war, den Deutschen damals nicht-arische Rasseeigenschaften als mildernde Umstände zu nennen. Jedenfalls wurde Hjelmen geköpft und sein Kumpel ebenfalls.«
    Åke Stålhandske klappte seine Akten zusammen, goß sich einen neuen Bourbon ein und lehnte sich zurück. Während er trank, studierte er die Gesichter der beiden anderen, die vor allem Ekel zu empfinden schienen angesichts des Schändlichen, das sie soeben gehört hatten. Sie ließen jedoch durch nichts erkennen, daß sie den Zusammenhang mit einem von Otter oder einem af Klintén verstanden hatten. Worauf der Auftrag aber hinauslief.
    »Also«, sagte Carl, der plötzlich die Verantwortung spürte, als Chef die Diskussion in Gang zu bringen, »du sagtest zu Anfang, du hättest so etwas wie ein case model. Darf man fragen, wie es aussieht?«
    Carl achtete sorgfältig darauf, in seiner Frage jede Ironie zu vermeiden. Was er gehört hatte, war eine widerliche Geschichte, die zu bestätigen schien, was Stålhandske gelegentlich als sein Bild von Schweden während des Krieges zu erkennen gab. Aber das hatte nichts mit der »Sache« zu tun, soweit zu sehen war.
    »So verdammt kompliziert ist es doch nicht«, sagte Åke Stålhandske eifrig. Er stand auf und wanderte bei der Erläuterung seines Gedankengangs auf und ab.
    »Was haben wir? Wir haben folgendes. Die schwedische Sicherheitspolizei macht routinemäßig Razzien bei Kommunisten in Schweden. Bis Stalingrad wird noch viel Zeit vergehen, und diese Scheißkerle setzen auf die Nazis und arbeiten von der ersten Stunde des Krieges an mit der Gestapo zusammen. Ein Fisch beißt an, aber das liegt nicht an ihrer Geschicklichkeit, sondern weil Massenfestnahmen unter Kommunisten Routine waren. Wir befinden uns in der gleichen Epoche, in der Offiziere und Polizeibeamte ein Gebäude in Brand stecken, in dem eine kommunistische Zeitung gemacht wird. Kommunistische Zeitungen dürfen nicht transportiert werden, und so weiter, und so weiter. Na ja. Durch eine antikommunistische Razzia bekommen sie

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