Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
hatte er einen norwegischen Kameraden, der bei einer einfachen Ausweiskontrolle geschnappt wurde. Wartet mal, Rasmussen-Hjelmen hieß er. Hört mal zu. Das hier stammt aus einem Bericht der sogenannten Sandler-Kommission. Es ist so eine Art Bibel der politischen Justiz des damaligen Schweden: ›Im Zusammenhang mit der Razzia, die der Sicherheitsdienst am 10. Februar 1940 gegen die verschiedenen Büros und Niederlassungen der Kommunistischen Partei im ganzen Land sowie bei bestimmten einzelnen Kommunisten durchführte, wurde in Ängby eine Person angetroffen, die von sich behauptete, der norwegische Staatsbürger Fridtjof Johannessen zu sein‹ , und so weiter. So fängt es an.«
Die beiden anderen starrten ihn völlig verständnislos an, als er aufsah, um zu kontrollieren, ob sie seinem Gedankengang folgten. Sie waren jedoch nicht einmal in dessen Nähe gelangt.
»Was die schwedische Sicherheitspolizei jetzt in den Krallen hatte, möglicherweise ohne es selbst zu begreifen, war also Hjelmen, der wichtigste Norweger in der Wollweber-Organisation. Sie stellten natürlich bald seine echte Identität fest, da sie ja mit der norwegischen Quisling-Polizei und mit der Gestapo zusammenarbeiteten, und in den öffentlichen Dokumenten der Sandler-Kommission wird dunkel von bestimmten Telefonaten mit diesen oder jenen Stellen gesprochen, die man nach dem Krieg als unpassend ansah und nicht unbedingt nennen wollte. In Wahrheit aber, denn der Beleg findet sich unter den Originaldokumenten im Reichsarchiv, obwohl im Gutachten der Kommission nichts darüber gesagt wird, machte die schwedische Sicherheitspolizei mitten im Krieg eine Reise nach Berlin. Das war 1941. Und da finden wir nun einen gewissen Erik Lönn, Experte für die Sowjetunion, wie er genannt wird. Und einen Oberwachtmeister Nils Fahlander, Experte für alliierte Spione, und dann noch den Chef der schwedischen Sicherheitspolizei persönlich, Martin Lundquist. Und wen treffen sie in Berlin? Ratet mal! Ja, Reinhard Heydrich, falls der Name den Herren etwas sagt.«
Åke Stålhandske klappte einen seiner dicken Wälzer zu und sah triumphierend die beiden anderen an, deren Skepsis nicht geringer geworden war, wie ihre Gesichter zeigten.
»Jaja. Der Chef des deutschen Sicherheitsdienstes, Himmlers rechte Hand, könnte man sagen. Na und? Die schwedischen Vorgänger unseres heutigen Affenhauses auf Kungsholmen treffen sich mit den Nazis, na und?« fragte Joar Lundwall, ohne seine Irritation zu verbergen.
Åke Stålhandske ließ sich in seiner Begeisterung jedoch keineswegs bremsen. Er war offenbar recht sicher, noch eine Schlußpointe zu landen.
»Hört mal. Die schwedische Sicherheitspolizei trifft diese Obernazis in Berlin. In einer der Fragen geht es um diesen Hjelmen. Das Problem ist, daß Hjelmen in Schweden nur dafür verurteilt werden konnte, daß er Kommunist war und falsche Papiere besaß.«
»Was soll das heißen? Verurteilt, weil er Kommunist war?«
brummelte Carl.
»O ja«, fuhr Åke Stålhandske unverdrossen fort, »im Protokoll vom 18. April beim Kreisgericht des Gerichtsbezirks Jösse steht, daß ›Hjelmen auf die Frage des Staatsanwaltes zugab, daß er kommunistische Sympathien habe, obwohl er nicht Parteimitglied sei‹. Doch dann weigerte er sich natürlich, weitere Angaben zu machen. Er war schließlich Profi. Er wurde zu acht Monaten und fünfzehn Tagen Zwangsarbeit verurteilt. Kapiert ihr die Pointe?«
Die beiden anderen schüttelten gleichzeitig, fast im Takt, den Kopf.
»Die Pointe ist gottverdammt einfach. Er gestand genau so viel, daß er wie Wollweber zwar einige Zeit interniert, aber auf keinen Fall an die Nazis ausgeliefert werden würde. Er wurde aber trotzdem ausgeliefert. Darauf hatten die sich ja in Berlin geeinigt. Außerdem hatten sie sich darauf verständigt, daß die schwedische Polizei nicht zeigen sollte, wieviel sie über Hjelmen wußte. Und dann wurde er an die norwegische Grenze geschickt, und dort wartete die Gestapo.«
Åke Stålhandske klappte triumphierend einen seiner Wälzer zu, so daß eine Staubwolke aufwirbelte. Es hatte den Anschein, als läge jetzt eine Pointe klar zutage, die seine beiden verwunderten Kollegen nicht gesehen hatten.
»Hat die Gestapo an der Grenze gewartet?« fragte Carl zögernd, um zumindest etwas zu fragen.
»Aber verdammt noch mal«, fuhr Åke Stålhandske mit unverminderter Energie fort, »hier steht doch zum Beispiel…«
Er blätterte eine Zeitlang in seinen Akten.
»Ja, hier ist es.
Weitere Kostenlose Bücher