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Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
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zu zeigen, daß er sich mit mir auf vertrauten Fuß setze, entließ er alle seine Begleiter mit einem Winke seines Fingers, welche dann auch augenblicklich wie Visionen eines Traumes verschwanden. Einige Zeit lang war ich sehr bestürzt, bis mir der Gouverneur die Versicherung gab, ich werde keinen Schaden erleiden; und als ich nun auch bemerkte, daß meine beiden Gefährten, welche schon oft in dieser Art unterhalten worden waren, durchaus gleichgültig blieben, fing ich an, wieder Muth zu fassen und erzählte Seiner Hoheit meine Abenteuer; jedoch fühlte ich noch immer Bedenklichkeit und sah mich häufig nach dem Platz um, wo ich die gespenstischen Bedienten erblickt hatte.
    Ich hatte die Ehre, mit dem Gouverneur zu speisen, wo denn eine neue Reihe Geister das Essen auftrug und bei Tische aufwartete. Jetzt bemerkte ich schon, daß ich weniger erschrack, wie am Morgen. Ich blieb bis Sonnenuntergang und bat unterthänig, Seine Hoheit möge entschuldigen, wenn ich seine Einladung, im Palaste zu schlafen, nicht annehmen könne. Meine Freunde schliefen mit mir in einem Privathause der nahen Stadt, welche die Hauptstadt dieser kleinen Insel ist. Am nächsten Morgen nahmen wir uns aber die Freiheit, dem Gouverneur wieder unsere Aufwartung zu machen, wie er die Güte gehabt hatte, uns zu befehlen.

    Auf diese Weise blieben wir zehn Tage auf der Insel, indem wir beinah täglich beim Gouverneur und des Nachts in unsrer Wohnung waren. Ich ward bald mit dem Anblick der Geister so vertraut, daß sie nach dem dritten oder vierten Mal durchaus keinen Eindruck mehr auf mich hervorbrachten, oder wenn dies auch noch stattfand, so war meine Neugier doch zuletzt überwiegend. Seine Hoheit befahl mir nämlich, alle Personen und nach beliebiger Zahl unter allen Todten von Anfang der Welt bis gegenwärtig, wie es mir gerade einfiele, zu nennen. Er werde ihnen befehlen, alle Fragen, wozu ich Lust hätte, zu beantworten, unter der Bedingung, daß die Fragen auf die Zeit, worin jeder Todte gelebt hätte, beschränkt blieben. Ich könne mich auf Eines genau verlassen, daß sie mir die Wahrheit sagen würden, da das Lügen in der andern Welt durchaus nichts helfe.

    Ich dankte Seiner Hoheit auf die verbindlichste Weise für eine so große Gnadenbezeugung. Wir befanden uns in einem Zimmer, von wo wir eine schöne Aussicht in den Park genossen. Weil nun meine erste Neigung dahin zielte, mich mit Scenen des Pompes und der Pracht unterhalten zu lassen, so wünschte ich Alexander den Großen an der Spitze seines Heeres nach der Schlacht bei Arbela zu sehen, welcher denn auch sogleich, auf eine Bewegung des Fingers von Seiten des Gouverneurs, unter dem Fenster, wo wir standen, erschien. Alexander ward in das Zimmer citirt, und nur mit einiger Schwierigkeit verstand ich sein Griechisch, eben so wie er auch von dem meinigen nichts verstehen konnte. Er gab mir sein Wort, er sey nicht vergiftet worden, sondern an einem Fieber gestorben, welches in Folge eines heftigen Katzenjammers entstanden sey.

    Hierauf sah ich, wie Hannibal die Alpen passirte. Dieser sagte mir, er habe keinen einzigen Tropfen Essig in seinem Lager gehabt. [16]
    Alsdann wurden mir Cäsar und Pompejus an der Spitze ihrer Truppen, vorgeführt, und zwar in dem Augenblick, wo sie im Begriff waren die Schlacht von Pharsalus zu liefern. Ersteren sah ich auch in seinem letzten großen Triumph. Ich wünschte, der römische Senat möge in einem großen Zimmer, und eine neuere Repräsentativ-Versammlung in einem andern vor mir erscheinen. Der erstere erschien mir als eine Versammlung von Helden und Halbgöttern; die andere als ein Zusammenlauf von Krämern, Taschendieben, Räubern und Renommisten.
    Der Gouverneur gab auf mein Verlangen Cäsar und Brutus ein Zeichen, zu uns herzutreten. Beim Anblick des Brutus ward ich von höchster Ehrerbietung erfüllt und konnte in jedem Zuge seines Gesichts die strengste Tugend, die größte Unerschrockenheit und Seelenfestigkeit, die reinste Vaterlandsliebe und allgemeines Wohlwollen gegen die ganze Menschheit sehr leicht erkennen.
    Ich bemerkte mit vielem Vergnügen, daß diese beiden Personen in gutem Einverständniß mit einander standen, und Cäsar gestand mir freimüthig, die großen Handlungen seines eigenen Lebens seyen um viele Grade mit dem Ruhme seiner Ermordung nicht vergleichbar.

    Ich hatte die Ehre eines langen Gesprächs mit Brutus , und erfuhr von ihm, sein Vorfahr Junius Brutus, Epaminondas, Cato der Jüngere, Sir Thomas More und er

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