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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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durften die Kinder wählen, das Sorgerecht haben die Eltern gemeinsam. Allerdings wird Frau Hain nach Quebec auswandern. Das mit dem gemeinsamen Sorgerecht wäre wohl bald ziemlich kompliziert geworden.«
    »Quebec? Kanada? Und was will sie dort?« Skorubski runzelte die Stirn. »Spricht man da nicht Französisch?«
    Peter Nachtigall grunzte zustimmend.
    »Dann hätte der Junge eine ganz neue Sprache lernen müssen!«
    »In dem Alter fällt ihnen das leicht!«, behauptete Nachtigall mit Überzeugung.
    »Das ist nicht bei allen Kindern so«, gab Skorubski zu bedenken. »Manche sind einfach nicht sprachbegabt. Die entwickeln Störungen, fangen an zu stottern und wissen am Ende nicht, welche Vokabel in welche Sprache gehört. Es kann in so einem Fall ganz schön dauern, bis sie die neue Sprache alltagstauglich beherrschen.«
    »Der Kleine scheint keine Bedenken gehabt zu haben.«
    »Weiß die Mutter …«
    »Ich denke, die Klinik wird sich bei ihr gemeldet haben und der Ex-Mann hat sicher auch angerufen.«
    »Wenigstens sind wir diesmal nicht die Überbringer der schlechten Nachricht«, brummte Skorubski und parkte am Straßenrand.
    »Sieht aus wie ein Traumhaus. Schleppgaube, weiße Faschen, große Rundbogentür, ein schöner Garten. Im Sommer ist der sicher voll bunter Blumen. Das perfekte Zuhause für eine glückliche Familie. Und ich soll der Mutter jetzt erklären, wie jemand ihren kleinen Sohn umbringen konnte. Vielleicht hätten wir einen unserer ›Seelsorger‹ mitnehmen sollen, die machen das wahrscheinlich geschickter«, meinte Nachtigall bedrückt. Nach langem Zögern öffnete er die Beifahrertür und stieg aus.
     
    Nele Hain kauerte in der Ecke der Couch und sah nicht auf, als Peter Nachtigall und Albrecht Skorubski eintraten. Richard Mühlberg bot den beiden Kriminalbeamten die Sessel an und schob sich gleich wieder neben die weinende Frau.
    »Wie kann jemand auf die Idee kommen, einen so kleinen Jungen zu erschießen?«, stellte die Mutter die Frage, die alle beschäftigte. Mühlberg legte tröstend seinen Arm um ihre Schulter und sie ließ ihren Kopf schwer gegen ihn sinken. »Der Arzt hat ihr eine Spritze gegeben. Vielleicht ist es besser, Sie stellen Ihre Fragen morgen.«
    »Wir können leider nicht bis morgen warten. Wir suchen denjenigen, der Ihren Sohn getötet hat!«
    »Mord? Das ist doch einfach unvorstellbar!«, hauchte Frau Hain.
    »Denkbar wäre auch, dass Ihr Sohn einen Einbrecher ertappt hat.«
    »Ein Einbrecher im Haus meiner Schwiegereltern?« Dabei betonte sie das Wort so, als habe Nachtigall von Außerirdischen gesprochen.
    »Bisher wissen wir noch nichts Genaues über den Tathergang. Annabelle muss ihrem Bruder gefolgt sein und fand ihn im Arbeitszimmer ihres Großvaters.«
    »Man hat mich aus dem Klinikum angerufen. Aber ich soll Annabelle erst morgen besuchen. Die Ärztin wollte ihr Zeit geben, sich zu stabilisieren!« Nele Hain wischte sich mit einem Taschentuch über die Augen.
    »Annabelle spricht im Augenblick mit niemandem. Mutismus nennen die Ärzte diesen Zustand. Bleibt nichts anderes, als abzuwarten – und so lange müssen wir uns ausschließlich auf die Spuren am Tatort beschränken, um den Tathergang zu rekonstruieren«, erklärte Nachtigall.
    Nele Hain starrte in ihren Schoß, wo beide Hände damit beschäftigt waren, ein Foto von Maurice zu streicheln. Nachtigall registrierte, dass sie Schwarz trug. Hatte sie sich umgezogen, nachdem sie die Todesnachricht bekam? Oder wählte sie diese Farbe öfter, vielleicht aus modischen Gründen? Ein leichtes Misstrauen schlich sich in Nachtigalls Überlegungen.
    »Ich hole uns etwas zu trinken. Wasser? Kaffee?« Richard Mühlberg schien die emotionale Spannung mit einem Mal unerträglich. Er sprang auf und lief geschäftig in Richtung Küche. Auf ein Zeichen Nachtigalls folgte Skorubski dem jungen Mann. Mühlberg hantierte mit der Kaffeemaschine, während der Ermittler tastend einige Fragen stellte.
    »Natürlich habe ich den Jungen gemocht! Ich kannte ihn von Geburt an. Er war ja noch klein, doch in ein paar Jahren hätten wir prima gemeinsam tauchen und schnorcheln können. Oder Ski fahren.«
    »Es hat Sie nicht gestört, sich um ein Kind zu kümmern, das nicht von Ihnen ist?«, fragte Skorubski mit leiser Überraschung. Ihm selbst wäre das nicht leichtgefallen, überlegte er, wenn seine Frau damals … Er schüttelte den Kopf. Zum Glück hatte seine Frau nie Probleme mit dem Schwangerwerden gehabt.
    »Ach, was heißt das schon.

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