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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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angstvoll an.
    »Wer erzählt das?«
    »Walter. Walter Zesch.«
    »Und Sie glauben diese Geschichte?«
    »N-Nein. Seine Tochter lacht ihn immer aus deswegen. Sie meint, die Todesvögel kämen von Felix. Felix Andermatt. Der ist Taubenzüchter.« Sie lächelte unsicher.
    »Vögel erschießen niemanden, da kann ich Sie beruhigen.«
    Die Zeugin nickte mit gesenktem Kopf. »Mag sein.«
    »Arbeiten Sie schon lange für die Familie Gieselke?«, fragte Wiener behutsam. Die junge Frau wirkte derart verschreckt, dass er sich fast schämte, sie einbestellt zu haben.
    »Nein, ich glaube nicht. Oder ist sechs Monate lang? Ich will nichts Falsches sagen!«, antwortete sie und ihr Blick flackerte.
    »Sechs Monate ist wirklich nicht lang. Da gab es doch bestimmt jemanden, der vor Ihnen diesen Job gemacht hat.«
    »Ja. Aber die andere Haushaltshilfe war schon weg, als ich dort angefangen habe. Im Dorf wird erzählt, sie habe spioniert und sei deswegen fristlos entlassen worden«, erklärte sie und setzte wispernd hinzu: »Olaf Gieselke persönlich soll sie erwischt haben.«
    »Sie hat spioniert?«
    »Ja!« Sie zog vor Aufregung die Augenbrauen weit nach oben. »Wegen der Gurken!«
    Michael Wieners Miene war so verständnislos, dass Erika Münzer sich erbarmte und dem Beamten erläuterte, was sie damit meinte. »Die Gurklinge, das sind besondere Spreewaldgurken der Gieselkes, werden nach einem alten Familienrezept eingelegt. Neben den üblichen Zutaten wie Essig, Senfkörnern, Zwiebeln und solchem Zeug kommt eine geheime Gewürzmischung in den Sud.«
    »Aha.« Michael Wiener mochte saure Gurken nicht.
    »Manche meinen, wenn man dieses Rezept stehlen könnte, wäre man ein gemachter Mann!« Sie stockte, kicherte dann albern und fuhr fort: »Warum eigentlich gemachter Mann? Eine gemachte Frau könnte man ja auch werden.«
    »Hätte Ihre Vorgängerin urplötzlich einen eigenen Gurkenbetrieb eröffnet, wäre doch sofort klar gewesen, dass sie das Rezept geklaut haben musste.«
    Nun war es an Erika Münzer, den jungen Beamten ratlos anzusehen. Doch dann verstand sie plötzlich und lächelte breit. »Aber nein, das haben Sie falsch interpretiert. Natürlich wäre das Rezept verkauft worden! Manche glauben, die Firmen im Westen wären bereit, große Summen dafür zu bezahlen.«
    »Für ein Gurkenrezept?« Wiener konnte das nicht nachvollziehen. Nicht für so etwas!
    Doch die Zeugin nickte eifrig. »Aber das ist sicher gut versteckt. Meine Freundin sagt, solche Dinge bewahrt man nicht im eigenen Haus auf, sondern bei einem Notar – oder in einem Bankschließfach.«
    »Damit hat sie bestimmt recht. Als Sie den Job bekommen haben, wurde Ihnen da ein Schlüssel fürs Haus ausgehändigt?«
    »Ja, aber im Grunde brauche ich den nicht. Frau Gieselke ist immer zu Hause, wenn ich komme. Sie könnte mir genauso gut öffnen.«
    »Kämen Sie auch anders hinein? Angenommen, Sie hätten den Schlüssel verloren oder vergessen und Frau Gieselke wäre beim Zahnarzt?«
    »Ich habe noch nie meinen Schlüssel vergessen oder gar verloren. Aber wenn«, überlegte sie unsicher, »könnte ich natürlich auf Friederike und Wolfi warten.«
    »Gibt es keinen Hintereingang?«
    Sie lachte wie befreit. »Sie meinen die Katzenklappe? Sagen Sie das doch gleich! Ach herrje, was für eine Idee! Wolfi hat sie mir an meinem ersten Arbeitstag gezeigt. Er war ganz aufgeregt deswegen. Ich glaube, es ist eine Art Familiengeheimnis. Tatsächlich würde aber niemand von uns durch das Loch passen. Erst recht nicht Wolfi. Annabelle und Maurice sind manchmal durchgekrochen. Abenteurer.«
    »Verleihen Sie Ihr Schlüsselbund manchmal? An die Freundin? Einen Freund?«
    »Nein.« Erika Münzer lächelte milde. »Vielleicht, wenn mal der Richtige käme. Aber bisher …« Die junge Frau zuckte mit den Schultern. Bedauern schwang in dieser Bewegung mit.
     
    »Nun, was haben wir?«, brummte Nachtigall unzufrieden, als sie alle wieder im Büro zusammentrafen.
    »Mühlberg hatte zur Tatzeit angeblich einen Geschäftstermin, Frau Hain war mit einer Freundin unterwegs. Dieser Richard Mühlberg machte bei unserem Besuch heute Morgen einen ziemlich aufgeregten Eindruck«, begann Skorubski. »Frau Hain wollte, dass wir einen Beamten abstellen, der auf ihre Tochter aufpasst, weil der Mörder glauben könnte, er sei von Annabelle gesehen worden. Ich konnte sie beruhigen.«
    »Und das Kinderzimmer des Jungen! Kahl! Keine Spielsachen. Herr Mühlberg meinte, Maurice habe alles verschenkt, weil er in

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