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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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einen Raum, aus dem alles entfernt worden war, was auf einen sechs Jahre alten Bewohner hätte deuten können. Einzig ein ferngesteuerter Rennwagen stand auf dem Schreibtisch und wartete auf die Rückkehr seines Besitzers.
    Wiener fröstelte. Kein Kuscheltier auf dem Bett, keine Autos auf dem Boden, kein Lego in Kisten – nichts. Im Regal standen Sachbücher. Maurice konnte noch nicht lesen. Ein Fach war voller CDs und DVDs. Hörbücher mit Texten von Michael Ende und ein paar Zeichentrickfilme.
    Wiener stöberte in den Schreibtischschubladen und stieß auf eine kleine Fotosammlung. Jedes Bild zeigte Maurice allein. Als hätte es Annabelle nie gegeben, als habe die Mutter nie Zeit gehabt und sei der Stiefvater gerade nicht dabei gewesen. Du bist unfair, schalt er sich in Gedanken, irgendjemand muss die Bilder schließlich gemacht haben.
    Einen CD-Player oder einen Computer entdeckte er nicht. Den hatte der Junge bestimmt zu Oma und Opa mitgenommen, fiel ihm dann ein.
    »Viel gespielt hat Maurice wohl nicht, oder?« Wiener konnte sich einen strafenden Blick nicht verkneifen.
    Mühlberg stieß sich vom Türrahmen ab. »Wir ziehen um. Ich hatte ihm geraten, alles Spielzeug zu verschenken. Er konnte es doch ohnehin nicht mitnehmen. Wir hatten ihm versprochen, er würde neue Spielsachen bekommen. Abgesehen davon sollte für ihn die Schule beginnen und die neue Sprache hätte er ebenfalls lernen müssen – viel Zeit zum Spielen wäre da nicht geblieben.«

13
    Peter Nachtigall hatte sich kaum mit einer Tasse Kaffee hinter den Schreibtisch geschoben, da platzten die Kollegen ins Büro.
    »Die Ang’schtellte von Gieselkes sind da!«, verkündete Wiener. »Sie sitze auf’m Gang.«
     
    »Sie arbeiten für die Familie Gieselke, ist das richtig?« Nachtigall studierte intensiv das Gesicht seines Gegenübers, was den jungen Mann nicht zu stören schien. ›Zerknüllt‹ wäre das Wort, das die Züge Wolfgang Mauls am treffendsten beschreiben würde, schoss ihm durch den Kopf.
    »Ja.«
    Wenn die Antworten weiterhin so einsilbig ausfielen, würde dieses Gespräch eine ziemlich zähe Angelegenheit werden. Nachtigall spürte leichten Ärger in sich aufbrodeln, ließ sich aber, wie er hoffte, nichts anmerken. »Was genau gehört zu Ihren Aufgaben?«
    »Na das, was der andere nicht allein machen kann, oder was zu schwer ist.«
    »Der andere?«
    »Der andere Gärtner. Manchmal mache ich auch, wozu der keine Lust hat. Laub einharken zum Beispiel. Das karre ich dann in die hinterste Ecke des Grundstücks und dort verbrennen wir es später.« Er warf dem Ermittler einen raschen Seitenblick zu. »Natürlich informieren wir vorher immer die Feuerwehr. Sonst rücken die mit dem Löschzug an!«, grinste Maul.
    »Und sonst?«
    »Auf Bäume klettern mag der Gärtner auch nicht. Wenn da Äste ausgeschnitten werden müssen, ist das immer mein Job. Er ist nämlich nicht schwindelfrei.«
    »Wie oft kommt denn der Gärtner?«
    »Das ist unterschiedlich. Herr Gieselke ruft ihn an, wenn er ihn braucht.«
    »Und wenn im Garten nicht viel zu tun ist, arbeiten Sie dann auch im Haus?«
    »Kommt vor.« Wolfgang Maul nickte eifrig.
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Ich darf Herrn Gieselke bei der Pflege der Gewehre zur Hand gehen«, verkündete er nicht ohne Stolz.
    »Maurice wurde mit einer Waffe aus dem Arsenal des Großvaters erschossen.«
    »Ja. Das war das ›Kindergewehr‹«, antwortete Maul bedrückt.
    »Das ›Kindergewehr‹?«
    »Na ja, so haben wir es immer genannt. Es ist ein handliches Gewehr, genau richtig, um Kindern damit das Schießen zu zeigen. Und die beiden haben sich sehr geschickt angestellt. Naja, wenigstens Annabelle.«
    Das verschlug Nachtigall erst einmal die Sprache.
    »Sehen Sie, wenn der Opa so ein Jagdfreak ist, wollen die Enkel das auch lernen.« Maul zuckte mit den Schultern. »Aber Herr Gieselke hat gut aufgepasst. Nie durfte einer mit dem Gewehr unbeaufsichtigt herumhantieren. Das gab’s nicht!«
    »Sie beherrschen den Umgang mit Gewehren ebenfalls?«, fragte der Hauptkommissar gestelzt und wusste, dass er hinter dieser Formulierung nur seine Emotionen verbergen wollte. »Also, können Sie auch schießen?«
    »Klar. Herr Gieselke hat es mir beigebracht. Wie seinem Sohn und den Enkeln.«
    »Sie wissen, wo der Schlüssel zum Schrank aufbewahrt wird?«, wollte Nachtigall wissen, der es für unverantwortlich hielt, so kleinen Kindern den Umgang mit einer Waffe zu zeigen. Sein Unmut war deutlich zu hören und Wolfgang Maul

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