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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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sei nur gespielt.«
    »Ja, da kannst du natürlich recht haben. Was sagt Friederike denn dazu? Die müsste das doch ganz gut beurteilen können, so nah, wie die am Geschehen dran ist!«, meinte Claudia ein wenig neidisch.
    »Friederike ist auch der Meinung, dass mit diesem Mühlberg was nicht stimmt. Sie hat gesagt, er wirke auf sie immer so gehetzt. Fast, als säße ihm ein Verfolger im Nacken!«, lachte Traute krähend und Claudia hielt den Telefonhörer etwas weiter weg vom Ohr.
    »Er hat einen stressigen Job. Mein Mann wirkt auch oft wie auf der Flucht. Aber dem sitzt nur der Chef im Nacken.« Sie kicherte albern.
    »Friederike meint, dem Kerl wäre solch eine Tat zuzutrauen.«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Claudia unsicher. »Die paar Mal, die ich ihn gesehen habe, wirkte er so jungenhaft. Völlig unkompliziert.«
    »Alles Tarnung!«, behauptete Traute und wischte damit auch dieses Argument schwungvoll beiseite.
    »Und was ist mit diesem Gurkenerbe? Wäre es nicht ziemlich dumm, wenn der Stiefvater den zukünftigen Haupterben umbringt?«
    Darauf fiel auch Traute so schnell keine Antwort ein.

21
    Freitag
     
    Nele Hain saß bei ihrer Tochter. Es war noch sehr früh am Morgen und die Schwestern hatten mäßig begeistert auf den Besuch reagiert. Aber da man auf einen positiven Effekt durch den Kontakt zur Mutter hoffte, nahmen sie die Anwesenheit Frau Hains schließlich hin.
    Das war beinahe mehr, als man von Annabelle behaupten konnte. Das Mädchen saß am Tisch, starrte aus dem Fenster und schenkte weder ihrer Mutter noch dem Frühstück eine Spur Aufmerksamkeit. Annabelle hatte offensichtlich beschlossen, ihre Mutter so vollständig zu ignorieren, wie sie es bisher mit allen Besuchern getan hatte.
    »So war es auch, als dieser Polizist hier war, als ihr Vater sie besuchte und als ich ihr erzählte, heute würde ihre Oma vorbeikommen. Sie guckt durch alle hindurch. Manchmal lauscht sie in sich hinein, als höre sie jemandem zu. Dann lächelt sie sogar hin und wieder. Das ist alles. Nur nachts holt sie offenbar die Erinnerung an etwas Furchtbares ein. Sie schreit und ist fast nicht zu beruhigen. Ich glaube, sie braucht noch Zeit, seien Sie nicht ungeduldig«, erklärte die Schwester in einem ungeschickten Versuch, die Mutter zu trösten.
    »In drei Wochen ziehe ich um. Nach Kanada. Mir ist der Gedanke unerträglich, dass ich mein Kind in diesem Zustand zurücklassen soll«, antwortete Frau Hain verzweifelt.
    »Ach, bis dahin kann schon alles ganz anders aussehen!«
    Annabelle wickelte mit zusammengekniffenen Augen konzentriert eine Haarsträhne um den Finger. Vielleicht, überlegte sie, vielleicht sollte sie doch mit diesem dicken Mann sprechen. Mit dem, der den Vogelnamen hatte. Sicher, er war riesig und bestimmt auch bärenstark, aber irgendwie auch nett. Und er hatte gesagt, er brauche ihre Hilfe, also war er auch ehrlich. Ihrer Erfahrung nach gaben Erwachsene es nicht gern zu, wenn sie die Unterstützung von Kindern brauchten. Das schien für sie fast so schlimm zu sein, wie etwas nicht zu wissen.
    Von allen Seiten beleuchtete Annabelle das Für und Wider. Lauerten irgendwo Gefahren für sie selbst? Wenn sie einmal begonnen hatte zu erzählen, würde sich das Reden anhalten lassen oder wäre sie gezwungen, alles zu verraten?
    Sie beschloss, das Wagnis einzugehen, und schlug die Augen auf.
    Sie war allein!
    Selbst den Abschiedskuss ihrer Mutter hatte sie nicht bemerkt. Sie lächelte nachsichtig über ihre eigene Unaufmerksamkeit. Gut. Wenn niemand da war, mit dem sie sich unterhalten konnte, würde sie eben malen. Seufzend griff sie nach Block und Stiften, wählte sorgfältig aus und begann, den Mörder ihres Bruders zu zeichnen.

22
    Korbinian Nagel starrte schockiert auf die vielen Getöteten hinunter. Aufgebrochene Brustkörbe, hervorquellende Därme, zerfetzte Kehlen.
    »Blutrausch!«, fluchte er.
    Er ging in die Hocke und legte seine Hand prüfend auf einen der Körper.
    »Schon fast kalt.« Mühsam rappelte er sich wieder auf und sah, wie Blut über seine Schuhe suppte, die langsam im Boden einsanken.
    Korbinian Nagel war dankbar dafür, dass er bisher ein Leben ohne Krieg führen durfte. Dennoch ahnte er, wenngleich er kein besonders fantasievoller Mensch war, dass man diesen Anblick wohl als Schlachtfeld bezeichnen konnte.
    Wo zum Teufel war eigentlich dieser vermaledeite Aufpasser von den Wolfschützern? Wie hatte er nur so leichtsinnig sein können, seine Herde einem dieser spinnerten Aktivisten

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