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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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gemeinhin auch noch feige. Nein, derjenige, der das getan hat, muss ein völlig anders gelagertes Motiv haben«, behauptete er mit Überzeugung.
    »Johannes glaubt, wir seien schuld! Es wird nie wieder eine harmonische Familie aus uns werden!«
    Olaf Gieselke hörte das verzweifelte Schluchzen, noch bevor seine Frau wusste, dass sie anfangen würde zu weinen. Mürrisch räumte er das Buch zur Seite und legte nun doch seinen Arm um sie. Als ihre Tränen zu fließen begannen, drückte er ihren knochigen Körper fest an sich.
    »Du musst das verstehen«, flüsterte er in ihre Haare. »Es ist normal. Menschen suchen für ihre Katastrophen gern einen Schuldigen. Die lassen sich leichter ertragen, wenn man auf jemanden wütend sein kann. Er wird sich wieder beruhigen und erkennen, wie falsch er die Dinge beurteilt hat.«
    »Nein.« Er spürte, wie sich der Kopf seiner Frau an seiner Schulter bewegte. »Es wird nie wieder so sein wie früher. Johannes wird uns nun auch Annabelle nicht mehr überlassen. Er misstraut uns.«
    »Annabelle muss etwas gesehen haben, das auf einen Täter hindeutet, der von außen kam. Vor so etwas ist man nie sicher. Stell dir vor, du wärst im Keller gewesen und ich hinten im Garten. Dann hätten wir auch nichts bemerkt. Die Kinder waren groß genug, um auch mal unbeaufsichtigt spielen zu können. Wenigstens für einen kalkulierten Zeitraum.«
    Frau Gieselke wollte antworten, dass sie bei der Arbeit im Keller keine Ohrstöpsel getragen und sehr wohl bemerkt hätte, wenn jemand durch die Tür ins Haus gekommen wäre. In diesem Fall hätte sie sofort nachgesehen und den Eindringling entdeckt – beschloss aber, nichts zu sagen. Ihr Mann war heute, wie meistens, ihren Argumenten nicht zugänglich.
    Stattdessen fragte sie tränenschwer: »Olaf – wenn du so sicher bist, dass Maurice’ Tod nichts mit der Sache zu tun hat – könnte es dann nicht sein, dass wir alle in Gefahr sind? Vielleicht hat ja irgendein Psychopath beschlossen, die ganze Familie auszulöschen.«
    Olaf Gieselke dachte gründlich über diese Frage nach. Er lehnte den Kopf ans Kissen und schloss die Augen. Für einen Moment glaubte seine Frau sogar, er sei über dem Grübeln eingeschlafen. Erschrocken zuckte sie zusammen, als er unerwartet heftig antwortete: »Nein, das glaube ich nun wirklich nicht. Der Täter mag vieles sein, aber ein Psychopath ist er sicher nicht.«
    Damit nahm er sein Buch wieder zur Hand und ließ seine Frau im Unklaren darüber, wie er zu dieser Einschätzung kam.
     
    »Claudia?«, fragte die Stimme atemlos aus dem Telefonhörer. »Ich bin ’ s, Traute. Ich habe vorhin mit Friederike gesprochen. Du glaubst ja gar nicht, was bei den Gieselkes jetzt abgeht!«
    »Wie meinst du das? Sie werden traurig und entsetzt sein, denke ich mir.«
    »Claudia, entschuldige bitte, aber du bist wirklich naiv. Es kann schon sein, dass sie traurig sind, vielleicht sogar schockiert, aber nun suchen sie untereinander nach dem Schuldigen! Friederike hat gehört, wie der junge Gieselke seinen Vater beschimpft hat. Lautstark. Weil er nicht auf die Kinder aufgepasst hat, die ihm anvertraut waren.«
    »Irgendwie verstehe ich das. Wahrscheinlich würde ich auch so reagieren«, erklärte Claudia sanft.
    »Du Schaf!«, fuhr Traute sie unfreundlich an. »Die Kleine liegt im Krankenhaus und spricht nicht. Aber in der Nacht hat sie irgendwas von einem schwarzen Mann gefaselt. Na, und wer wird das wohl sein?« Trautes lauernder Unterton irritierte die Freundin.
    »Woher soll ich das wissen? Ich war ja nicht dabei.«
    »Denk doch einmal nach!«, forderte Traute in einem Ton, der nahelegte, dass Claudia dies nur selten tat. »Niemand war dabei, sonst könnte die Polizei ja längst stolz den Täter präsentieren! Nein. Der Neue von Nele, der trägt immer schwarz, hat schwarze Haare, dunkle Augen – und suspekt war mir der Mühlberg immer schon. Wetten, der war’s!«, triumphierte sie.
    »Das wäre ja unglaublich! Der Stiefvater! Unheimlich ist er schon …« Claudia ließ sich nun von der Aufregung der anderen bereitwillig anstecken. »Und Stiefväter sind ja ohnehin verdächtig, findest du nicht auch? Da müsste doch die Polizei auch draufkommen!«
    »Männer!«, spuckte Traute. »Die halten doch zusammen. Wenn du denen sagst, es gibt da einen Stiefvater, das ist doch verdächtig, kannst du dir noch anhören, du hättest Vorurteile. Dabei ist es so offensichtlich! Ich hatte ohnehin immer den Eindruck, diese Lieber-Vater-Masche

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