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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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und gab nach kurzem Zögern zwei kräftige Schlucke Rum dazu. Das würde sie jetzt brauchen, es half beim Denken.
    »Wovon wollte er denn ablenken?« Caroline wurde zunehmend hysterisch. In Trautes Augen drängte sich ein geringschätziges kaltes Glitzern. Es wäre sicher besser, nicht weiter ins Detail zu gehen, das konnte die Freundin wohl nicht verkraften. Sie würde dieses Gespräch jetzt beenden und sich mit ihrem Tee in den gemütlichen Sessel im Wohnzimmer setzen, um in Ruhe vor dem Kamin über diese vertrackte Angelegenheit nachzudenken. Geschickt wimmelte sie Caroline ab.
    Während sie sich anschließend ihren Gedanken überließ, drängte das Gespräch mit Claudia in ihr Bewusstsein. Mörder, warum nur sollte jemand Wolfgang als Mörder bezeichnen? Diesen freundlichen jungen Mann, der in den Frauen liebevolle Beschützerinstinkte weckte und keiner Fliege etwas zuleide tun konnte? Und eine neue, bestechend logische Theorie um den Mord durch die Mutter und die gleichzeitige Vertuschung begann sich zu formen. Elektrisiert griff sie erneut zum Telefon.
    »Claudia, hast du auch schon vom Mord an Wolfgang gehört? Gut, du weißt also Bescheid. Und es passt prima zu deiner Theorie, denke ich. Angenommen, weder Johannes Gieselke noch dieser Mühlberg waren der Vater von Maurice …«
    Claudia hörte sich Trautes Kombinationen mit wachsender Aufregung an. Eine Mutter, Erpressung durch den wirklichen Vater, der diese Information nun preisgeben wollte, Angst um die neue Beziehung, Mord am Kind, Reue, ein verzweifelter zweiter Mord am Erpresser, die theatralisch-dramatische Inszenierung am Tatort, selbst das Wort ›Mörder‹ an den Bäumen machte plötzlich Sinn! Unlösbare Ketten der Leidenschaft. Eine Geschichte, wie sie eben nur das wahre Leben schreiben konnte.

33
    »Marnie? Glaubst du, man kann einen Erpresser wirklich ausbezahlen?«
    Michael Wiener rekelte sich auf der Couch und sah zu, wie seine Freundin eine DVD in den Player schob. Zum Abschluss dieses gelungenen Festabends würden sie sich eine BBC-Reportage ansehen.
    »Nein. Gehört die Erkenntnis, dass ein einmal erfolgreicher Erpresser immer wieder neue Forderungen stellt, nicht zum Allgemeinwissen?«
    »Wir haben aber ein Opfer, das behauptet, der Erpresser habe sich nach der Zahlung nie mehr gemeldet.«
    »Dann würde ich ihm an deiner Stelle nicht glauben.« Marnie schenkte Sekt in zwei stilvolle Gläser. »Oder die gezahlte Summe war so hoch, dass klar war, mehr konnte das Opfer nicht aufbringen und würde bei einem weiteren Versuch eher sein Geheimnis in alle Welt posaunen, als erneut zu zahlen«, erklärte sie.
    »Hm. So könnte es natürlich auch gewesen sein«, murmelte Wiener und überlegte, ob Gieselke wohl genau das gedroht hatte. ›Wenn du noch einmal vorbeikommst, stelle ich mein Gurkenrezept ins Netz‹?
    Marnie stieß mit ihm an und trank einen kräftigen Schluck. Sie kuschelte sich dicht an ihn und zog die Beine hoch.
    »Was ist das Thema dieser Reportage?«
    »Schwarmverhalten.«
    Die angenehme Stimme eines Biologen führte sie durch die Sequenzen. Fische, Schmetterlinge, Vögel, Herden von Gnus und Zebras zogen über den Bildschirm. Wiener dachte an die aufgerissenen Leiber der Schafe. Er würde gleich morgen nachfragen, ob endlich das Ergebnis der DNA-Überprüfung vorlag. Wenn es ein Hund war, der die Herde überfallen hatte, würden sie auch herausfinden, wer der Besitzer war!
    »Dieser Prof. Cassidy mag ja in vielen Punkten recht haben, aber ich habe heute mit eigenen Augen gesehen, dass es nicht immer günstig ist, in einer Herde zu leben.«
    »Du sprichst von den getöteten Schafen. Das kannst du nicht vergleichen. Die Tiere konnten nicht fliehen, sich nicht wie eine echte Herde verhalten und die Vorteile ausspielen. Sie waren eingezäunt.«
    »Dennoch. Es ist nicht immer gut, in einer großen Gruppe zu leben«, wiederholte Wiener störrisch.
    »Weil man als Einzelindividuum weniger auffällig ist in der Weite der Welt?« Marnie rieb ihre Nase an seiner Wange.
    »Nun ja. Ein einzelner Vogel im Busch bleibt eventuell unentdeckt. Aber ein Schwarm mit Hunderten von Tieren wird sofort wahrgenommen. Ich halte es nicht für die bessere Strategie, all meinen Feinden zu signalisieren, wo ich bin.«
    »Natürlich werden auch Individuen aus einem Schwarm gefressen. Die Gruppe bietet keinen absoluten, sondern einen relativen Schutz. Statistisch gesehen ist es für das Überleben der Einzelnen im Schwarm günstiger. Durch seine Masse, die

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