Gurkensaat
Wetter egal«, antwortete Lukas.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand etwas von dem Körper, der in einem der Häuser ganz in der Nähe langsam auskühlte.
Vielleicht hatte Hänschen eine leise Ahnung, aber die behielt er für sich.
47
»Was haben wir?« Nachtigalls Frage war wie immer die Eröffnung der Abschlussbesprechung.
»Bisher haben wir noch keine Meldung von den Kollegen. Keine Streife hat den Wagen entdeckt, der ja nun wirklich auffällig genug ist, niemand hat Irma Gieselke gesehen und sie hat sich auch nicht bei ihrem Mann gemeldet, das habe ich gerade eben noch geklärt«, fasste Albrecht Skorubski zusammen.
»Wir habe einen erschossene Junge, einen erschlagene Wolfswächter und eine verschwundene Ehefrau. Es isch alles irgendwie unübersichtlich.«
»Wenigstens spricht die Kleine wieder. Sie hat mir von einem Anruf auf das Mobiltelefon ihres Bruders erzählt. Ihrer Meinung nach wollte er sie damit nur neugierig machen. Er ist aus dem gemeinsamen Zimmer geschlichen, sie ist ihm nicht gefolgt, weil sie nicht in seine Falle tappen wollte. Erst als sie die Schüsse gehört hat, ging sie nachsehen. So hat sie Maurice gefunden und konnte durch das Fenster noch die rennende Gestalt erkennen. Weil sie den flüchtigen Eindruck hatte, sie hinke, malte sie einen Wolf daneben, denn Wolfi hinkt auch. Sicher ist sie sich allerdings nicht«, erzählte Nachtigall. »Nun wäre es ja denkbar, jemand anderes hat die Gestalt ebenfalls gesehen und für Wolfi gehalten – dann käme derjenige als Mörder im Fall Maul in Betracht. Es würde gut erklären, warum er das Wort ›Mörder‹ an die Bäume geschrieben hat.«
»Einer lügt demnach.«
»Sieht so aus. Die Großeltern haben angeblich zur Tatzeit beide geschlafen, Johannes Gieselke war bei seiner Freundin, Nele Hain mit einer Freundin zum Kaffeetrinken. Angenommen, die Großeltern sagen nicht die Wahrheit, dann müsste einer von ihnen den flüchtenden Täter ebenfalls gesehen haben.«
»Frau Gieselke fand ihre Enkelin im Arbeitszimmer. Wenn das der Moment war, zu dem der Täter flüchtete …«
»Und daraufhin zieht sie mitten in der Nacht los, nachdem der Arzt ihr ein stark wirksames Beruhigungsmittel injiziert hat, erschlägt brutal den vermeintlichen Mörder, taucht ihren Finger in sein warmes Blut und schreibt ›Mörder‹ an die Bäume? Soll ich das wirklich glauben?« Nachtigall zog eine Augenbraue hoch, stand auf und begann, ruhelos in dem kleinen Büro auf und ab zu gehen.
»Zugegeben, das klingt nicht sehr überzeugend. Aber sie könnte ihrem Mann von der Beobachtung erzählt haben und er hat den Gärtnergehilfen erschlagen«, versuchte Skorubski eine neue Erklärung.
»Mal abgesehen davon, dass auch Olaf Gieselke durch ein Medikament völlig ausgeschaltet worden war, warum kommen weder er noch seine Frau zu uns und erzählen aufgeregt davon, dass jemand durch den Garten geflohen ist? Es ist unsere Aufgabe, einen Mörder zu fangen.«
»Ja, sicher. Aber Gieselke ist eher so ein Typ, der die Lösung anstehender Probleme selbst in die Hand nimmt. Das hat er uns doch klipp und klar gesagt.«
»Und das Motiv von Wolfgang Maul? Ich kann beim besten Willen keines erkennen«, stoppte Nachtigall weitergehende Spekulationen. Lastendes Schweigen machte sich breit. Als es schon den Anschein hatte, niemand wolle die Stille je stören, fragte Albrecht Skorubski leise: »Was ist mit diesem ominösen Gurkenrezept?«
»Nach Aussage der Familie ist das Gerede nur Humbug. Johannes Gieselke behauptet sogar, es gäbe überhaupt keine geheime Rezeptur, es ginge den anderen Gurkenproduzenten nur darum, den etablierten Namen ›Gieselkes Gurklinge‹ zu kaufen, um sich die Marktanteile zu sichern. Vielleicht auch, um einen Konkurrenten auszuschalten«, erklärte Nachtigall. »Es gibt allgemein viel Gerede in diesem Fall! Das Rezept, die Todesvögel, die Affären von Olaf Gieselke – nichts davon führt uns weiter. Aber die Dinge, die eventuell wirklich wichtig sind, wie die Erpressung zum Beispiel, die verschweigt man uns! Es ist wie verhext.«
»Für mich bleibt die Frage nach wie vor offen, wer überhaupt ein Motiv gehabt haben könnte, den Jungen zu töten. Und ich sehe zwischen all unseren Verdächtigen nicht einen, der so kaltblütig scheint, drei Schüsse auf ein Kind abzugeben«, setzte er nach einer Pause hinzu.
»Ach, ich weiß net. Gier macht d’ Leut manchmal blind. Auch blind fürs Opfer. Oder der Täter hat sich in eine psychische
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