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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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bestätigte Gundula. »Aber auf der anderen Seite auch wieder verständlich. Stell dir vor, sie vertraut sich einer Freundin an, damit geht sie doch auch wieder ein zusätzliches Risiko ein. Ob der Johannes so viel Verständnis für diese Entscheidung gehabt hätte, weiß ich auch nicht. Womöglich hätte er den Vater vorgewarnt. Und wenn sie den alten Gieselke erst derart vor den Kopf stößt, weiß man nie, was passiert, wenn er sie findet. Da ist es doch besser, niemand kennt ihr Versteck. Am Ende bringt er sie in seiner Wut noch um!«
    »Nun übertreib nicht!«, mahnte Claudia und bekam weiche Knie bei dem Gedanken an einen rachsüchtigen Ehemann.
    »Sie hat sich eh viel zu viel Zeit gelassen mit der Entscheidung. Damals, nach seiner heißen Beziehung zu diesem Callgirl, hätte sie gleich gehen sollen. Es schadet dem Selbstbewusstsein einer Frau, bei einem Mann zu bleiben, der sie betrügt.«
    »Na ja, bist du nicht auch bei deinem Harald geblieben?«, konnte sich Claudia einen Seitenhieb nicht verkneifen.
    »Das war etwas völlig anderes«, konterte Gundula pikiert. »Meinen Harald hatte dieses geile Miststück aus der Verwaltung betrunken gemacht und danach verführt. Einmal. Er hat sofort alles gebeichtet und seither gab es nie wieder Anlass zur Klage. Aber die Sache zwischen Gieselke und dieser Hure, die zog sich doch über Monate hin. Das kann man nicht vergleichen.«
    »Irma Gieselke hatte sicher gute Gründe zu bleiben. Johannes’ Ausbildung war noch nicht abgeschlossen, die Enkelchen gerade geboren. Vielleicht schien ihr jetzt der richtige Zeitpunkt zu sein, wo die Familie ohnehin auseinanderbricht.«
    »Mag sein«, blieb Gundula vage. »Und wie soll der Alte nun ohne sie klarkommen? Er kann nicht kochen, Friederike ist noch immer stationär, Evi kann auch nicht kochen, ganz zu schweigen davon, einen Haushalt zu führen. Er wird verhungern!«, freute sie sich.
    »Vielleicht sucht er auch nach Irma. Dann wird er sie flehentlich darum bitten, wieder zu ihm zurückzukehren«, seufzte Claudia.
    »Du bist aber wirklich hoffnungslos romantisch!«
    »Ach, so ein bisschen Gefühl kann nicht schaden! Alle behaupten immer, sie sei wegen des Geldes geblieben, er sei aus Bequemlichkeit geblieben, so, als gäbe es nur Berechnung zwischen Eheleuten. Aber ich würde mir lieber vorstellen, dass Liebe im Spiel ist.«
    »Hört, hört«, lästerte Gundula und fragte in der nächsten Sekunde in lauerndem Ton: »Und was, wenn Mord im Spiel ist?«

49
    Olaf Gieselke verfolgte die Schritte seines Sohnes im Stockwerk über sich. Johannes lief vom Fenster zum Flur, ein Stück über den Gang, machte kehrt und ging ins Gästezimmer zurück, das früher sein Kinderzimmer gewesen war. Er verharrte für wenige Augenblicke vor dem Fenster und nahm die gleiche Strecke wieder in Angriff.
    So ging das bereits seit über einer Stunde.
    Die Schritte klangen ataktisch.
    Gehetzt.
    Johannes war schon immer ein Weichei. Einer, der wegen jedes Kratzers nach Hause zu Mutti kam, ihn laut heulend präsentierte, um ihn dann jammernd verpflastern zu lassen. Jeder harmlose Schnupfen wurde zur lebensbedrohlichen Erkrankung, jedes Unwohlsein zum entsetzlichen Symptom einer infausten Infektion.
    Und nun war nicht einmal mehr die Mutter da, um das Söhnchen zu trösten.
    Nele war auch so eine Frau gewesen. Eine, die ihre Kinder und ihren Mann nicht zur Selbstständigkeit erzog, sondern ihre Mündigkeit mit mütterlicher Tüchtigkeit im Keim erstickte. Aus Maurice wäre nie ein guter Schütze geworden – in der Beziehung kam er tatsächlich ganz nach Johannes. Olaf Gieselke suchte nach einer wohlklingenderen Vokabel und kehrte doch immer wieder zum selben Wort zurück: schussfest. Weder sein eigener Sohn noch der Enkel konnten dem lauten Knall beim Abgeben des Schusses standhalten.
    Ein verächtlicher Ausdruck ließ seine Züge altern. Die gläserne Tür in der Regalwand wirkte wie ein Spiegel, er schreckte entsetzt vor sich zurück. So hatte einst sein eigener Großvater ausgesehen. Unnahbar, hart, unerbittlich, verbittert.
    Wie hatte er diesen Mann gehasst, der seine Familie mit cholerischen Ausbrüchen beherrschte, unter denen wirklich jeder, ob groß oder klein, ob Mann oder Frau, zu leiden hatte. Er kannte keine Gnade, war rechthaberisch und ungerecht gegen jedermann.
    Die Gurke. Das war alles, was zählte. Wenn die Ernte schlecht ausfiel, der Regen ausblieb, ein Schädling ganze Felder vernichtete, herrschte eine angespannte Atmosphäre im Haus.

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