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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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Regnete es zu viel, wuchsen die Gurken ungebremst und kamen als Gurklinge nicht mehr infrage. In solchen Jahren war die gesamte Produktion von Gieselkes Gurklingen gefährdet. Selbst politische Entwicklungen konnten die Produktion von Sauerkonserven beeinflussen.
    Olaf Gieselke hörte, wie sein Sohn schon wieder über den Gang tigerte. Was zum Teufel trieb der Junge da?
    Früher war die Herstellung von Spreewaldgurken eine Geduldsfrage. Sie wurden mit der geheimen Gewürzmischung, den anderen Zutaten sowie Essig in großen Fässern angesetzt und mussten wochenlang ruhen. Sein Großvater nannte das lieber reifen. Wie beim Wein.
    Heute funktionierte das völlig anders.
    »Natronlauge«, flüsterte Gieselke das Zauberwort vor sich hin.
    Gurklinge entstanden heute direkt im Glas.
    Innerhalb weniger Stunden.
     
    Auch anderes hatte sich geändert. Erziehung zum Beispiel. Großvater hatte oft vor Zorn getobt. Schlug seine Kinder, seine Enkel, seine Frau. Olaf Gieselke spürte einen leichten Stich, als er daran dachte. Seine Oma war eine ruhige, gütige und geduldige Frau gewesen. Ertrug demütig die Launen ihres Mannes, versorgte und verband entstandene Verletzungen und erfand bereitwillig fantasievolle Erklärungen dafür, die wenigstens im Ort die Fassade retteten.
    Olaf Gieselke keuchte.
    Er hatte diesen Mann wirklich gehasst. Auf der anderen Seite, überlegte er, wäre es in einer Familie mit unangefochtenem Oberhaupt nie zu derartigen Entwicklungen gekommen wie die, mit denen er sich herumschlagen musste. Die Polizei im Haus! Undenkbar! Unverzeihlich!
    »Johannes«, fauchte er leise. »Er war immer schon die Ursache allen Übels. Mit ihm begann der Verfall! Ich habe es nur zu spät bemerkt. Gurken?«, äffte er den indignierten Ton seines Sohnes nach. »Gurken? Die mag ich nicht! Igitt, die stinken so nach Essig!«
    Auf den Hinweis, die Familie lebe nun einmal von der Gurke, hatte der vorlaute Bengel nur geantwortet, er wolle ohnehin etwas anderes werden als Gurkeneinleger. Gurkeneinleger! So eine bodenlose Unverschämtheit! Mit diesem einen Wort, abfällig vor die Füße des Vaters gespuckt, entwertete er alles, was seine Vorfahren letztlich auch für ihn und seine Zukunft aufgebaut hatten. Und das hätte er ihm schon begreiflich gemacht. Aber es war damals eben wie heute. Wollte er dem Kind Bescheid stoßen, verkroch Johannes sich eiligst hinter dem breiten Kreuz seiner Mutter, die auch tatsächlich nichts anderes zu tun hatte, als den undankbaren Bengel in Schutz zu nehmen. Bis heute hatte sich daran nichts geändert!
    »Hättest du um deine Frau gekämpft wie ein richtiger Mann, wäre es deinem sauberen Freund nie gelungen, dir Nele und die Kinder zu entfremden. Du Idiot!«, zischte er den Schritten zu, die sich wieder über den Flur bewegten.
    Als es unerwartet klopfte, zuckte Gieselke heftig zusammen.
    »Herein!«, befahl er polternd.
    Schüchtern drückte eine Hand die Tür auf.
    »Entschuldige die Störung. Ich dachte, vielleicht würdest du jetzt gern mit jemandem reden«, erklärte Johannes vorsichtig tastend.
    »Warum sollte ich mich mit dir unterhalten wollen?«, fragte der Vater unwirsch zurück.
    »Weil du dir Sorgen um Mama machst.«
    Olaf Gieselke starrte seinen Sohn verblüfft an. »Wozu sollte ich mir wohl um deine Mutter noch Sorgen machen?«

50
    Nachtigalls Stimmung hellte sich sofort auf, als er in der Einfahrt zu seinem Haus Connys Wagen entdeckte. Beschwingt sprang er von seinem Fahrersitz und war schon fast an der Haustür. Alles in einer fließenden Bewegung, registrierte er nicht ohne Stolz. Der regelmäßige Sport schien ja doch etwas zu bewirken.
    »Conny!«, rief er fröhlich und hörte sie aus der Küche antworten. »Ach, du glaubst ja gar nicht, wie einsam ich ohne dich war!«, flüsterte er bei der Begrüßungsumarmung zärtlich in ihr Haar.
    Sie schob ihn mit ausgestreckten Armen auf Abstand und musterte ihn prüfend. »So schlimm kann es nicht gewesen sein. Ich habe von meinem Schwiegersohn andere Informationen bekommen«, lachte sie und in ihren Augen sprühten lustige Funken.
    »Ach ja«, tat er uninteressiert, »das überrascht mich aber. Jeden Abend saß ich einsam vor dem Fernseher, nur die Katzen als Gesprächspartner.«
    »Du schwindelst! Emile hat sogar hier übernachtet! Und ihr wart zu dritt zum Essen im Restaurant!«
    »Ich habe dir wohl gar nicht gefehlt, wie?«, lenkte der Hauptkommissar ab.
    »Aber natürlich hast du das! Wie sieht es denn aus mit Reserven, nach einem

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