Gut gebrüllt Löwe
dem Korb und steckte einen nach dem anderen auf die Stacheln. Erst sah es niemand. Dann aber, als der General schon wie ein geschmückter Weihnachtsbaum aussah, war der Jubel unbeschreiblich.
Da geriet der General in Wut. Geduckt hinter seinem Schild, ging er mit vorgerecktem Schwert auf Löwe los. Löwe versuchte mehrmals, das Schwert wegzuschlagen, aber es war scharf wie ein Rasiermesser — und er mußte sich fauchend zurückziehen, wollte er sich nicht selbst verletzen.
Schon begannen die Soldaten zu jubeln, immer anfeuernder brauste ihr Chor: »Ge-ne-ral!! Ge-ne-ral!! Ge-ne-ral!!« Immer mutiger wurde der General. Er fuchtelte wild mit seinem Schwert herum, und wenn er auch Löwe nicht traf, so mußte Löwe doch immer weiter zurückweichen.
Die Soldaten begannen zu lachen. »Seht doch nur den tapferen Löwen«, höhnten sie. »Er hat Angst vor einem Apfelbaum!« Löwe wagte einen neuen Prankenhieb. Äpfel klatschten zu Boden wie Fallobst. Diesmal hatte er hart zugeschlagen, ohne auf seinen Schmerz zu achten, der General stolperte und wäre fast gefallen. Aber Löwe hatte sich selbst so schwer verwundet, daß er sich nur mühsam den Schmerz verbeißen konnte und sich niederkauerte, um sich die blutende Pfote zu lecken. Der General nahm die Gelegenheit wahr — mehr torkelnd als gehend stürzte er sich auf Löwe und traf ihn an der Schulter.
Der Platz brodelte vor Erregung. Löwe mußte sich in die Ecke flüchten, wo das Kamel über die Bretter äugte. »Du mußt ihn müde machen!« wisperte es.
Löwe besann sich. Ich muß es auf andere Weise versuchen, dachte er. So, als ob er Angst vor dem General hätte, kroch er dicht am Boden um ihn herum, fauchte und winselte abwechselnd. Der General, der nicht von hinten angefallen werden wollte, mußte sich immer schneller um seine eigene Achse drehen. Bei jedem Schritt polterten Apfel herab, wurden von seinen Stiefeln zertreten. Der Boden verwandelte sich in einen glitschigen Brei. Gar nicht dumm, dachte Löwe, der merkte, daß der General zu rutschen begann. Er bewegte sich geschwind und leichtfüßig um ihn herum, der General keuchte, Schweiß floß ihm unter der Rüstung in Bächen hinunter.
Die Zuschauer lachten erst — dann aber wurden sie ungeduldig; sie wollten einen richtigen Kampf sehen.
Da sprang Löwe, als ob er ihn angreifen wollte, auf den General zu; der erschrak, rutschte aus — es gab einen dumpfen Knall, und das Apfelmus spritzte — , General Blech krachte auf den Bauch und trieb die Spitzen seiner Rüstung durch die Wucht seines Falls in die Bohlen. Da lag er nun besinnungslos und rührte sich nicht mehr. Löwe riß mit seinen Pranken ein Brett aus dem Boden und drückte es zu allem Überfluß von oben auf die Stacheln. Jetzt steckte der General da wie eingenagelt in einem Sarg. Und Löwe nahm ihm mit der Schnauze Schild und Schwert aus den kraftlosen Händen, stellte sich mit den Vorderpfoten auf das hölzerne Brustschild und öffnete seinen Rachen zu einem lauten Siegesruf!
Das Kamel wieherte fröhlich: »Gut gebrüllt, Löwe!«
Die Leute jubelten, klatschten in die Hände, hüpften umher — es war ein unbeschreibliches Getöse...
Bis auf einmal ein schmetterndes Heulen die Luft zerriß und alle erschreckt zum Schweigen brachte. Der weiße Elefant rief in höchster Not wie eine Mutter, die ihr Kind in Gefahr weiß: »Der Prinz ist geraubt worden!«
Alle Köpfe drehten sich nach der Tribüne um, wo Prinz Panja gesessen hatte. Der Thron war leer. Auch der Gibbon und Rao waren verschwunden. Und um die Biegung der Straße zogen die Blechbüchsensoldaten unter dem Befehl des Korporals ab.
Wie gelähmt waren alle. Dann stürmten sie hinter ihnen her. Aber schon verschwanden die Soldaten im Tor, und die Hängebrücke ging knarrend in die Höhe.
Düster und drohend reckten sich die Mauern der Burg Machatofel.
Rückzug
Es dauerte nicht lange, da erschien der finstere Rao in seiner Eisenrüstung auf dem Burgturm, und neben ihm und überall auf den Zinnen und Mauern, Kopf an Kopf und Spieß an Spieß unzählige Soldaten.
Wütendes Geschrei brandete zu ihnen auf.
Aber Rao schaute nur höhnisch hinab. Er ließ trommeln und trompeten, und als Ruhe eingetreten war, rief er mit lauter Stimme: »Nekaragier! Ihr tut mir unrecht! Prinz Panja befindet sich bei mir in Sicherheit. Die fremden Eindringlinge, die niemand gebeten hat, zu uns zu kommen, wollten ihn rauben. Sobald der feige Löwe durch List, nicht etwa durch Tapferkeit unseren General zu
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