Gut geküsst ist halb gewonnen: Roman (German Edition)
Kellnerin in der engen Bluse, die ihn kokett angelächelt hatte, als sie die Drinks servierte. »Dieses Jahr war ich nirgendwo.«
»Nicht mal über Nacht in Pocatello?«, fragte er. Das war ein Städtchen wenige hundert Meilen östlich von Boise.
»Nein. Ich hab nur gearbeitet.« Im gedämpften Licht sahen seine Augen schwarz aus. Eine dichte Haarlocke fiel ihm in die Stirn, und kleine Kommalocken berührten seine Ohrmuscheln. Er hatte sich seit dem Morgen nicht mehr rasiert, und schwarze Barthaare verdunkelten sein kantiges Kinn.
»Kein Freund, der Sie zu einem Wochenendtrip entführt?«
»Nein. Kein Freund mehr seit etwa einem Jahr.«
»Sie machen Witze«, sagte er, als könnte er das nur schwer glauben.
Lucy rührte ihren Mojito mit dem Minzezweig, der darin steckte. »Nein. Ich bin Beziehungen aus dem Weg gegangen.« Ihre Fingerspitzen wischten über das Kondenswasser am Glas, und der nervtötende Ärmel ihres schulterfreien Pullis rutschte wieder. Wenn sie gewusst hätte, dass das Teil ihr solche Probleme bereiten würde, hätte sie etwas anderes angezogen. »Ich hab in meinem Leben schon mit echten
Idioten zu tun gehabt. Deshalb habe ich beschlossen, eine Auszeit zu nehmen, bevor ich zu bitter werde.«
»Sie sind verbittert wegen der Männer?«
»Vielleicht ist übersättigt der bessere Ausdruck.« Sie schob den Ärmel wieder hoch.
»Wie lange hat Ihre Auszeit denn gedauert?«
Sie wollte auf keinen Fall zugeben, wie lange sie schon keine richtige Verabredung mehr gehabt hatte. »Eine ganze Weile«, antwortete sie. Sie hielt auch das Treffen heute Abend für keine richtige Verabredung. Sie war eher aus Neugier hier. Sie hatte nur in ein Treffen mit Quinn eingewilligt, weil er ihr diese zwei albernen Mails geschrieben hatte. Er tat ihr irgendwie leid und … tja, sie wollte sehen, ob er wirklich so gut aussah wie in ihrer Erinnerung. Tat er nicht. Er sah sogar noch besser aus. »Mir ist ein gutes Buch lieber als ein schlechtes Date.« Jetzt, wo die rote Baseball-Cap die obere Gesichtshälfte nicht mehr abschirmte, konnte sie die feinen Linien in den Winkeln seiner dunkelbraunen Augen sehen, die darauf hindeuteten, dass er oft und gerne lachte.
»Wie viele schlechte Internet-Dates hatten Sie denn schon?«
Das waren genauso wenig richtige Dates gewesen. Gott, es wurde langsam schwierig, diese Lügengeschichte weiter durchzuhalten. »Und Sie?«
Er beugte sich vor und legte die Unterarme auf den Tisch. Er griff nach der Kerze und schob sie von einer Hand in die andere. Dabei kratzte sein silbernes Uhrarmband über die glatte Fläche. »Die meisten Frauen, mit denen ich mich getroffen habe, waren nett, bloß nichts für mich. Sie sind die
Einzige, die ich um eine zweite Verabredung gebeten habe. Die einzige Frau, an die ich nach dem Treffen denken musste. Die einzige Frau, die ich besser kennen lernen will.« Er blickte von der Kerze auf und sah sie an, als wäre außer ihr kein weibliches Wesen im Raum. Dann sagte er: »Jetzt sind Sie an der Reihe.«
Etwas in seiner Stimme löste auf ihrer Haut ein warmes, verführerisches Prickeln aus. Dabei kannte sie den Mann nicht mal. Glaubte die Hälfte von dem nicht, was er ihr erzählte. Warum also verursachte er bei ihr dieses Kribbeln? »An der Reihe womit?«
»Erzählen Sie mir von Ihren Internet-Dates.«
Ach ja. »Von all den Männern, die ich übers Netz kennen gelernt habe, wollten siebzig Prozent nur schnellen Sex und waren echte Loser. Zwanzig Prozent waren einsam und wünschten sich verzweifelt eine Freundin, egal was für eine. Und über die letzten zehn Prozent berät die Jury noch.«
»Und wozu gehöre ich?«
Sie nahm ihr Glas in die Hand und trank einen Schluck, bevor sie antwortete: »Bei Ihnen berät die Jury noch.«
Er legte die Hände flach auf den Tisch und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er sah sie mehrere Herzschläge lang an, dann wechselte er das Thema. »Was denken Sie über die drei Männer, die vor kurzem ermordet wurden?«
Lucy stellte ihr Getränk wieder ab. Wow! Was für ein Talent, die Stimmung zu vermiesen. Sie hatte sich nur mit einem der armen Kerle getroffen. Lawrence, alias Luvstick, hatte zu den siebzig Prozent gehört, die auf der Suche nach einer schnellen Nummer waren, und sie hatte ihn in Kapitel drei ins Jenseits befördert. Wenige Wochen später hatte sie
in der Zeitung gelesen, dass er wirklich umgebracht worden war. Der Gedanke daran war unheimlich. Ein Riesenzufall, über den sie lieber nicht nachdachte.
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