Gut geküsst ist halb gewonnen: Roman (German Edition)
Lucys Computermaus und vergrößerte das Dokument, das sie verkleinert hatte, als er ihr Arbeitszimmer betreten hatte. Er rechnete nicht damit, etwas Belastendes zu finden, doch er stützte sich auf den Schreibtisch und las es trotzdem.
Unter der durchsichtigen Plastikfolie starrten seine blauen Augen in ihre, wild, flehend, angsterfüllt. Er rang nach Luft, doch je mehr er kämpfte, desto mehr dünnes Plastik saugte er in seine Kehle. Er schlug auf dem Bett um sich, strampelte und trat. Der Druck der Flexi-Cuffs schnürte das Blut in seinen Händen ab und machte sie weiß. Kämpfen war zwecklos.
Sie hockte sich vor ihn und wartete. Jetzt dauerte es nicht mehr lang. Seine mit Handschellen angeketteten Hände ballten sich zu Fäusten, und sein Rücken krümmte sich. Dann wurde er still, seine Muskeln entspannten sich, und sie zählte. Fünf … zehn … fünfzehn Sekunden. Sein Körper zuckte und krümmte sich. Er machte sich nass, wurde dann leblos. Sie beugte sich
nah zu ihm und sah ihm in die Augen. Ihr Blut hämmerte in den Ohren, und sie hielt den Atem an. Sie sah zu, wie seine Augen starr wurden, die Pupillen sich vergrößerten. Sie wartete … wartete auf den exakten Moment, wenn das Leben seinen Körper verließ. Ihre Lunge fühlte sich an, als würde sie gleich platzen … aber nichts. Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme unter den nackten Brüsten. Das war alles? Wo war seine Seele? Sie hatte fest daran geglaubt, sie diesmal zu sehen. Enttäuscht zog sie die Augenbrauen zusammen. Der letzte Typ hatte ihr mehr als nur einen flüchtigen Blick auf seinen Übergang von einer Welt in die andere gewährt. Dieser hier war eine Niete gewesen.
Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu und verließ fluchtartig das Bett. Sie hatte einen Monat gebraucht, diesen Kerl zu finden. Sie würde wahrscheinlich einen weiteren brauchen, um den nächsten zu finden. Aber es würde noch andere geben. Es würde immer andere geben. Es war so leicht. Manche Männer würden alles tun, wenn sie glaubten, es würde zu Sex führen.
Sie schnappte sich ihren Slip vom Boden. Männer waren so erbärmlich.
Quinn richtete sich auf, und innerlich wurde er ganz ruhig. Er starrte fassungslos auf den Bildschirm und den blinkenden Cursor. Dann legte er den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.
»Scheiße«, flüsterte er in den leeren Raum.
Lucy stand am Rednerpult im Versammlungsraum von »Barnes and Noble« und blätterte zur nächsten Seite ihrer Notizen, die sie für das Krimifrauen-Meeting vorbereitet hatte. Cynthia Pool, Angestellte bei »Barnes and Noble« und Krimifrau, reichte Lucy den Eiskaffee, den sie bestellt hatte.
»Danke«, sagte Lucy und trank einen Schluck.
»Hoffentlich ist er nicht zu stark. Ich habe ausdrücklich um einen Triple Shot gebeten, aber ich fürchte, sie haben ihn zu stark gemacht.«
Lucy sah in Cynthias hellgrüne Augen und lächelte. Sie wusste nicht viel über Cynthia, nur dass die Frau ziemlich pedantisch war. »Er ist perfekt.«
Für den Vortrag hatte Lucy sich bunt und fröhlich gekleidet. Sie trug einen mandarinenfarbenen Zopfmusterpulli, einen schwarzen Lederrock, eine schwarze Strumpfhose und spitze Kalbslederstiefel. Ihr Haar hatte sie in Locken gelegt und zu einem lockeren Pferdeschwanz hochgebunden. Die Nachmittagssonne schien durch die Fensterfront zu ihrer Linken und warf lange Rechtecke auf den Teppich.
Mit Ausnahme einiger neuer Gesichter hatte sie alle anwesenden Frauen schon einmal gesehen. Sie kannte sie gut,
und sie wusste, dass sie eine bunte Mischung aus ernsthaften Autorinnen und Amateurinnen vor sich hatte. Ihre Charaktere umfassten alles von total normal bis äußerst bizarr, aber sie hatten eine Sache gemeinsam: Sie liebten Krimis. Sie kannten das Genre in- und auswendig und diskutierten mit Begeisterung über jeden Aspekt.
Lucy sprach eine Stunde lang darüber, wie wichtig ein guter, glaubhafter Plot war. Die restliche Zeit stellte sie für Fragen zur Verfügung. In der ersten Reihe hob eine ihr unbekannte Frau die Hand. Lucy trank einen Schluck Kaffee und deutete auf sie.
Die Frau stand auf, zog ihre Notizen zu Rate und fragte: »Woher kriegen Sie Ihre Ideen?«
Lucy stöhnte innerlich und ließ ihre Tasse sinken. Das war die Frage, die ihr am häufigsten gestellt wurde und die sie nie so richtig beantworten konnte. »Ich weiß nicht«, antwortete sie, so gut sie konnte. »Manchmal bleibt mir ein Gesprächsfetzen im Gedächtnis hängen, oder vor meinem
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