Gut geküsst ist halb gewonnen: Roman (German Edition)
Postfach fahre. Du musst die Briefe nicht mal sehen. Denk drüber nach.«
Lucy hatte sich stets für so mutig gehalten. So clever.
Doch im Moment wusste sie gar nicht mehr, was sie war. Sie wusste nur, dass ihr Leben ihr irgendwie entglitt.
»Okay.« Sie trug die Handtasche immer noch auf der Schulter. Sie griff hinein und zog den Postfachschlüssel heraus. Dann löste sie ihn vom Ring und drehte sich zu ihm um. »Kannst du mir einen Gefallen tun? Bringst du mir die normale Post vorbei?«
»Klar.«
Sie legte den Schlüssel auf seine flache Hand, und er fasste zu und hielt ihre Finger in seinem warmen Griff. Sie schaute auf in sein Gesicht. Sein Blick berührte ihre Stirn und ihre Wangen und landete auf ihrem Mund. Er sah sie wieder so an wie vorher. Diesmal wusste sie, dass das Verlangen, das sie dort zu sehen glaubte, nur Illusion war.
Sie zog ihre Hand weg, bevor sie der Illusion erlag und in etwas sank, das größer und stärker war als sie. »Glaubst du, sie weiß, wo ich wohne?«
Er hob den Blick wieder, und seine braunen Augen schauten in ihre. »Deine Telefonnummer ist nicht verzeichnet und im Internet gibt es nicht genügend Informationen über dich, um jemanden direkt zu deiner Haustür zu führen. Da sie die Briefe an dein Postfach geschickt hat statt an deine Privatadresse, vermute ich mal, nein.« Er steckte den Schlüssel in die Hosentasche. »Aber ich werde es nicht riskieren, dich in Lebensgefahr zu bringen.«
Das klang fast so, als wäre sie ihm wichtig. Sie verschränkte die Arme unter der Brust und sah auf ihre Sandalen hinab. Auch Lucy würde lieber kein Risiko eingehen, aber sie war sich nicht sicher, warum sie ihm plötzlich wichtig war. Ja klar, sie war jetzt nützlich für seinen Fall.
»Wir verstärken die Polizeistreifen in der Gegend, und ich komme so oft wie möglich vorbei. Wir können bei dir ein Überwachungssystem und eine Sicherheitsbeleuchtung installieren. Ich hab ein paar Kollegen, die nebenbei beim Sicherheitsdienst jobben. Die können bei dir bleiben, wenn du möchtest.«
Sie schüttelte den Kopf, und ihr Blick glitt von ihren Sandalen zu den Spitzen seiner braunen Halbschuhe. Sie hatte genug Familie und Freunde in der Gegend und brauchte keine fremden Aufpasser im Haus.
Er hob mit den Fingerspitzen ihr Kinn, um ihr in die Augen sehen zu können. Seine leichte Berührung durchströmte sie und verbreitete Wärme über ihren Hals bis zu ihrer Brust. Wieder musste sie gegen das Bedürfnis ankämpfen, sich an ihn zu lehnen und sich an etwas Sicherem festzuhalten, in einem Leben, das mehr und mehr aus den Fugen geriet.
»Sag mir, was du willst.«
So vieles. Nichts davon konnte er ihr geben. Außer: »Die Sicherheitsbeleuchtung klingt gut.«
»Ich werde das sofort veranlassen. Sie fangen gleich morgen damit an.« Er ließ die Hand wieder sinken. »Was ist mit heute?«
»Ich übernachte bei meiner Mutter. Und morgen kommt eine Freundin zu mir.«
»Eine von den Schriftstellerinnen?«
»Ja.« Er hatte es sich gemerkt. Vor ein paar Tagen hätte sie noch geglaubt, dass es etwas zu bedeuten hatte. Jetzt wusste sie es besser.
»Wir kriegen sie, Lucy. Ich versprech’s, aber bis dahin geh nach Möglichkeit nirgendwo allein hin.«
Sie hätte ihn gern gefragt, wann die ganze Sache seiner Meinung nach vorbei wäre, doch sie wusste, dass er das nicht beantworten konnte.
»Halt den Elektroschockstift und das Pfefferspray griffbereit.« Er zog einen Mundwinkel hoch und lächelte fast.
Erst viel später, als sie in ihrem alten Zimmer im Haus ihrer Mutter im Bett lag, wunderte sie sich, woher Quinn wusste, dass sie Pfefferspray bei sich trug.
»Oh mein Gott!«
»Lucy, komm und sieh dir das an.«
»Was denn?« Lucy schob die Glaskanne unter die Eisteemaschine und ging zur Hintertür. Sie reckte sich hinter ihren Freundinnen auf die Zehenspitzen, die sich in die Tür gezwängt hatten, um den Elektriker in ihrem Garten zu begaffen.
»Nicht jeder sieht in Carhartt-Arbeitshosen so gut aus«, schwärmte Maddie, die mit dem Gesicht förmlich an der Scheibe klebte.
Der fragliche Mann beugte sich gerade vor und zog etwas von der Ladefläche seines Lieferwagens. Seine braune Carhartt-Arbeitshose saß wie angegossen an seinem strammen Hintern. Sein Name war Randy, und Quinn hatte ihn an diesem Vormittag zu Lucy geschickt.
»Er muss spezielle Po-Übungen machen«, spekulierte Adele.
»Kniebeugen mit Gewichten«, fügte Clare hinzu. »Ich wünschte, er würde sich mal bücken.«
Maddie
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