Gut geküsst ist halb gewonnen: Roman (German Edition)
wie Quinn den Schlüssel ins Schloss steckte, kribbelten ihre Hände, und ihre Finger wurden kalt. Sie wollte nicht hinsehen, doch sie konnte auch nicht wegschauen. Das Türchen schwang auf, und Lucys Herz hämmerte, als wollte es aus ihrer Brust springen.
Das Fach war leer. Nicht mal ein Werbeprospekt. Lucy stieß einen erleichterten Seufzer aus. Sie könnte das nicht jeden Tag mitmachen, aber sie hatte wohl keine Wahl. Vielleicht würde die Psychopathin ja auch nichts mehr von sich hören lassen. Vielleicht könnte sie einfach ihr Leben weiterleben.
Quinn verschloss das Postfach wieder und kam mit seinem typischen entschlossenen Gang auf sie zu. Mit finsterer Miene gab er ihr den Schlüssel zurück. »Wirst du etwa ohnmächtig?«
Er hob die Hand, als wollte er sie berühren, doch sie wich einen Schritt zurück. »Mir geht’s gut.«
Er ließ die Hand wieder sinken, doch die finstere Miene blieb. »Wir sehen morgen wieder nach.«
Wortlos nahm Lucy den Schlüsselring entgegen und ließ ihn in ihre Handtasche plumpsen. Morgen. Sie wollte ihn morgen nicht wiedersehen. Genauso wenig wollte sie wieder mit Herzrasen in der Post stehen.
Gemeinsam verließen sie das Gebäude. Ihre Schultern waren nur Zentimeter voneinander entfernt, als sie die Treppe hinabstiegen, doch Lucy fühlte sich so allein, als würden Meilen sie trennen.
Auf der Rückfahrt zu ihr nach Hause schwiegen sie. In der vergangenen Woche hatte Lucy sich in einen Mann verliebt, der sie nicht liebte und nur mit ihr ausgegangen war, weil er sie für eine Serienmörderin hielt. Als wäre das nicht schon verrückt genug, war sie von der wahren Mörderin kontaktiert worden, die behauptete, Lucy hätte ihr alles beigebracht, was sie übers Morden wusste. Die Polizei glaubte, dass Lucy die Mörderin kannte oder sie wenigstens schon einmal getroffen hatte. Lucy hatte das Gefühl, dass das stimmte. Sie hatte sich stets für einen starken Menschen gehalten, doch mit jeder Stunde, die verging, während ihr Teile dieser Briefe durch den Kopf schwirrten und sie die ganze Tragweite der Geschehnisse begriff, fiel es ihr schwerer, sich zusammenzureißen. Sie befürchtete, geradewegs auf einen Nervenzusammenbruch zuzusteuern, und wünschte, sie hätte etwas, woran sie sich festklammern konnte, bevor es so weit war. Jemanden, der sie fest in die Arme nahm und ihr ein Gefühl der Geborgenheit gab. Jemanden, der ihr sagen würde, dass alles wieder gut würde, auch wenn es eine Lüge war.
Doch da war niemand. Und ganz bestimmt nicht Quinn. Er war der Letzte, der ihr das Gefühl von Geborgenheit vermitteln konnte, und der Letzte, der die Leere ausfüllen konnte, die er höchstpersönlich verursacht hatte.
Lucy fuhr den Wagen in die Garage, und Quinn folgte ihr ins Haus. »Wir sehen morgen wieder nach«, sagte er, als er nach seinem Matchbeutel griff.
Sie wollte nicht noch einmal zur Post fahren. Sie wollte nicht rumstehen, zusehen und abwarten. Sie lief zum Küchenfenster und schaute hinaus auf Mrs. Rileys falsche Tulpen.
Einige davon waren blau. Sie erinnerte sich nicht, je blaue Tulpen gesehen zu haben, doch wer war sie schon, die Realität eines anderen in Frage zu stellen, wo sie selbst das Gefühl hatte, den Verstand zu verlieren? »Was passiert jetzt?«, fragte sie, obwohl sie genug Bücher geschrieben hatte, um eine sehr gute Vorstellung davon zu haben. Sie wusste, dass die Polizei sie als Verbindung zu der Serienmörderin sah. Diese Ironie entging ihr nicht.
»Die Briefe werden im Labor auf Fingerabdrücke und DNA-Spuren analysiert. Kurt und ich werden jedes Wort genauestens studieren und nach Anhaltspunkten oder Verbindungen suchen, die uns in die richtige Richtung weisen können. Ich glaube, diese Briefe werden uns helfen, sie zu finden.« Lucy hörte, wie er durchs Zimmer ging, und spürte, dass er direkt hinter ihr stehen blieb. »Hast du noch meine Handynummer und die von zuhause?«
»Wahrscheinlich ja. Irgendwo.«
»Rufst du mich an, wenn du irgendwas brauchst?«
»Ich brauch nichts. Mir geht’s gut.«
»Du siehst aber nicht gut aus.«
»Danke.« Sie lachte ironisch und schaute auf ihre weißen Hände, mit denen sie sich am Thekenrand festklammerte.
»Ich meinte damit nur, dass du ziemlich mitgenommen aussiehst. Diese Briefe würden jeden mitnehmen.«
»Glaubst du wirklich, dass sie wieder schreiben wird?«, fragte Lucy und betete, dass er nein sagen würde.
»Ja. Es wäre vielleicht besser, wenn du mir den Schlüssel gibst und ich zu deinem
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