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Gut genug - Erzählung

Gut genug - Erzählung

Titel: Gut genug - Erzählung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rotbuch-Verlag
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Zeit war ich mit den Büchern so weit, daß ich wußte, es kann nicht gehen. Es wäre mir lieber gewesen, es im Frühling herauszufinden, weil es nicht so entmutigend ist wie im Herbst. Im Frühling und Sommer geht es irgendwie doch, selbst mit Büchern, die dir genauestens sagen, was du falsch machst, aber im Herbst hätte ich all diese Bücher im Grunde gar nicht gebraucht, um zu wissen, daß es nicht geht. Ich bin ein paarmal mit Flo in die Pilze gegangen, weil ich fast jedes Jahr in die Pilze gehe, und jetzt war er groß genug, um mitzukommen. Man fährt eine Stunde mit der Bahn und kommt in den Wald, werktags ist der Wald leer und duftet, und nach einer Weile fängt er an, nach Moder und Pilzen zu riechen. Im Wald gibt es alles mögliche, und alles ist umsonst. In dem Jahr hat es noch mehr gegeben, der ganze Wald war voll Brombeeren und Heidelbeeren. Manchmal hat die Sonne ihre Muster aufs Moos gemacht, und wir haben eine Menge Pilze gefunden. Jedesmal wenn ich etwas finde, was einfach so wächst, denke ich, daß ich alles irgendwie schaffe, ich bin vor Zuversicht doppelt so groß und doppelt so breit wie im Leben und weiß ganz genau, wie es geht. Bei Pilzen und Pflaumen besonders. Und bei Kartoffeln und Äpfeln. Bei allem, was einfach so wächst, selbst bei der lausigsten hohlen Nuß. Selbst bei Bucheckern und Pimpinelle. Also war es ganz gut, aber nach dem dritten Mal habe ich gemerkt, es funktioniert nur, wenn du das Zeug dann auch ißt, und sonst ist es sentimental. A.C. hat gesagt, spinnst du, pfundweise Pilze zu holen und sie anschließend wegzuschmeißen, ich habe gesagt, du hast recht, und dann ist es Winter geworden, obwohl ich nicht wieder Winter mochte. A.C. hatte gerade den Aufsatz über die Silbermann-Orgeln verkauft und einen Gangster nach Zürich gefahren, und wir haben eine Jahreskarte für den Zoo und eine Jahreskarte für den Palmengarten gekauft, weil wir die Museen durch hatten.
    Am Ende des Winters waren wir so weit, daß wir uns nicht mehr sehen konnten. Immer ist einer mit Flo in den Zoo oder Palmengarten gegangen, und am nächsten Tag der andere. Wenn A.C. dran war, habe ich getippt oder im Bett gelegen und Bücher gelesen und, so gut es ging, nachgedacht, und wenn er zurückkam, habe ich gedacht, nicht schon wieder. Einmal bin ich ins Kino gegangen, während A.C. mit Flo im Zoo war, ich habe All About Eve gesehen, aber es kam mir lächerlich vor, im Kino zu sitzen und All About Eve zu sehen, obwohl es ein wunderbarer Film ist, in dem eine mittelmäßige junge Schauspielerin Bette Davis erledigt; Bette Davis ist wie immer unübertroffen. Einmal bin ich in Rheingold gewesen, und einmal im Figaro. All das kam mir lächerlich vor, weil es nichts mit dem Leben zu tun hatte. Das Leben selbst fing an, nichts mit dem Leben zu tun zu haben. Schließlich hat A.C. gesagt, weißt du, es ist genug, und ich habe gesagt, ja, das ist es. Übergenug. Es reicht. A.C. hat gesagt, man kann ihn zu nichts gebrauchen. Dann haben wir nachgedacht, aber es ist uns nichts eingefallen, wofür man ihn brauchen könnte. Für Kinderarbeit war er bestimmt noch zu klein, und außerdem ist sie verboten. A.C. hat gesagt, keinen Schritt tue ich mehr in die Unterwelt, weil der Zoo und der Palmengarten natürlich dazugehören, und ich habe gesagt, ich auch nicht. Inzwischen war es so, daß wir keine Leute mehr kannten, die keine Kinder hatten, und keine Leute kannten, die Kinder hatten. Wenn man Leute mit Kindern ist, muß man alles so machen wie Leute mit Kindern, nämlich am besten, sonst wollen einen die Leute mit Kindern nicht kennen, weil jeder für sein Kind nur das Beste will. Wenn man es am besten macht, muß man außerdem sagen, ich bin ganz tot. Man muß sagen, nie habe ich Zeit, mal in Ruhe die Zeitung zu lesen, oder man muß sagen, alles bleibt immer an mir hängen, wenn ich es nicht mache, dann macht es doch keiner. Man muß sagen, der Große ist so empfindlich, der Kleine ist ja robust, aber der Große ist so sensibel, und überall steckt er sich an. Überhaupt muß man sagen, was das Kind hat, und Flo hatte meistens nichts. Kinder müssen aber etwas haben. Ich weiß nicht, warum, aber es ist so. A.C. hat gesagt, mußtest du immer etwas haben, und ich habe gesagt, klar, du nicht, und A.C. mußte auch immer etwas haben, er hat gesagt, wenigstens Husten. Ich habe gesagt, wenigstens Appetitlosigkeit. Minimum. Alle Kinder hatten was, und damit sie nicht immer dasselbe haben, gibt es Neurodermitis und Allergien.

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