Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund
Stiftung gegründet, die die zwanzig verheerendsten Krankheiten |99| der Welt bezwingen soll. Warren Buffett, ein Investor aus Nebraska und der zweitreichste Mann der Welt, hat einen großen Teil seines Vermögens (fast 32 Milliarden Dollar) in diese Stiftung einfließen lassen. Die Milliardäre folgen einer US-amerikanischen Tradition, die der Stahlbaron Andrew Carnegie 1889 mit dem Ausspruch »Wer reich stirbt, stirbt in Schande« auf den Punkt brachte. Nicht nur er, sondern auch andere sehr reiche Unternehmer aus der Eisenbahn-, Stahl- und Ölindustrie hatten im ausgehenden 19. Jahrhundert eine Stiftungswelle ins Leben gerufen. Der Geist ist geblieben, nur ist die Größenordnung der heutigen Stiftungen neu. BMG, die Stiftung von Bill und Melinda Gates etwa, ist so groß, dass sie dem Staat oder den Vereinten Nationen mit ihren Hilfsaktionen Konkurrenz macht.
Eine Hilfeleistung via Spende oder Stiftung löst also möglicherweise ambivalente Gefühle aus, weil ihr unlautere Motive unterstellt werden: Angepasstheit (»Was sollen die Leute denken, wenn ich nicht spende?«), Anerkennungsstreben (»Schaut her, was ich spende!«), Geiz (»Spenden spart Steuern!«) oder Machtstreben.
Doch zurück zum Schweinehund. Er tut sich mit dem Thema Hilfsbereitschaft schwer. Er möchte nicht gerne daran erinnert werden, weil er einerseits zu träge ist zum Helfen, andererseits aber auch kein schlechtes Gewissen haben möchte. Bei ihm hapert es an folgenden Punkten:
Mitfühlen. Der Schweinehund ist nicht grundsätzlich gleichgültig, sondern eigentlich ein Menschenfreund. Leider fast ausschließlich in Bezug auf seinen eigenen Menschen. Das Gefühl des Mitleids schiebt er am liebsten ganz schnell weg, weil es ihm sehr lästig ist. Oft steckt die Angst dahinter, man müsse eben nicht nur mitfühlen, sondern dann auch handeln. Und so mag eine innere Stimme sprechen: »Das ist gar nicht zu schaffen« – »Damit wirst du doch |100| nie fertig« angesichts all der Hilfsbedürftigen, die es nicht nur in der Ferne, sondern mittlerweile auch in unserem Lande in zunehmender Anzahl gibt. Und nicht nur das: »Du könntest mit unangenehmen, kranken oder gefährlichen Menschen in Kontakt kommen, ja vielleicht dich dabei ›schmutzig‹ machen.« All das könnte unangenehm werden, darum: »Schau lieber weg und verdräng dein Mitgefühl.«
Über den eigenen Gartenzaun schauen. Die Nächstenliebe »wartet nicht, bis sie den Nächsten in Lumpen antrifft, um sein Elend zu entdecken«, schreibt Comte-Sponville. Sie führt zu spontaner Hilfsbereitschaft, ohne dass erbarmungswürdige Bilder gezeigt werden. Doch der Schweinehund empfindet nicht wirklich Nächstenliebe, sondern allerhöchstens Allernächstenliebe. Er liebt die, die ihm am allernächsten stehen: seine Familie und seine Freunde. Deshalb ist er zwar bereit, seinem Sohn unter die Arme zu greifen, aber nicht einem x-beliebigen Kind in Zentralafrika. Frank Schirrmacher hat dieses Phänomen in seinem Buch Minimum beschrieben: Mitglieder einer Familie entwickeln offenbar im Notfall ein ganz besonderes »Aufopferungsengagement«. Echte Hilfsbereitschaft geht aber weiter: Sie bedeutet, in allen Notlagen zu helfen und allen Menschen.
Die Ärmel hochkrempeln. Es klingt paradox, aber der Hilfsbereitschaft haftet manchmal etwas Ehrenrühriges an. »Mit dem Respekt für die Helfer ist es ein wenig wie mit dem Respekt für Putzfrauen«, erklärt Thea Bauriedl, Psychotherapeutin aus München. »Man respektiert sie, soweit man sie braucht, aber man wollte nie selbst eine Putzfrau sein. Über den Status in der Gesellschaft entscheidet immer noch die Macht, die jemand besitzt. Helfer arbeiten zumeist an Brennpunkten der Ohnmacht. Deshalb identifiziert die Öffentlichkeit sie oft mit diesen Gefühlen – in den Augen der Öffentlichkeit scheint es so, als würden sie sich anstecken an der Ohnmacht der Menschen, um die sie sich kümmern.« Und das will der |101| innere Schweinehund natürlich nicht. Deshalb wird er alles daran setzen, Sie davon abzuhalten, Ihre Ärmel hochzukrempeln und einer »niederen«, helfenden Tätigkeit nachzugehen. 10
»Für Hilfsbereitschaft bin ich viel zu wichtig!«
|102| Fragen an Sie und Ihren Schweinehund:
Bei welchen Gelegenheiten sabotiert Ihr Schweinehund mögliche Akte Ihrer Hilfsbereitschaft? Und aus welchen Gründen?
Wo steht er dagegen Ihrem karitativem Einsatz für andere Menschen nicht im Wege? Und warum gerade hier nicht?
Unter welchen Umständen
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