Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund
Schweinehund einfach zu verlockend!
Den Konflikt zwischen Ethik und Ökonomie aushalten. Wenn Sie im Management eines Unternehmens tätig oder selbst Unternehmer sind, dann wissen Sie: Ethik kostet Geld. Denn eine Unternehmensführung nach ethischen Prinzipien bedeutet, dass Sie angemessene Löhne zahlen, für vernünftige Arbeitsbedingungen sorgen, nachhaltig mit Ressourcen umgehen und im Zweifelsfalle lieber auf ein Geschäft verzichten, als gegen Ihre ethischen Prinzipien zu verstoßen. All das ist teuer. Je erfolgreicher ein Unternehmen ist, desto leichter kann es sich dem Konflikt zwischen Ethik und Ökonomie stellen. Je größer aber der Erfolgsdruck, der Druck der Auftraggeber oder der Druck, das Unternehmen überhaupt am Markt halten zu können, desto eher drückt der Schweinehund ein Auge zu. Und |105| wie sagte doch Bert Brecht: »Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.«
Fragen an Sie und Ihren Schweinehund:
Wann sabotiert Ihr Schweinehund Ihre Integrität? Warum ausgerechnet in diesen Situationen?
Bei welchen Gelegenheiten steht er dagegen Ihrer Integrität nicht im Wege? Und warum?
Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Sie integer bleiben und handeln können?
Ehrlichkeit
Man kann ein ehrlicher Mensch sein,
ohne groß zu sein,
aber man kann kein großer Mensch sein
ohne Ehrlichkeit.
Christine von Schweden
Maria wird von Ihrer Patentante Amalie zu einem feierlichen Abendessen eingeladen. Obwohl das in Aussicht stehende Menü |106| ausgesprochen verlockend klingt, erinnert sie sich jedoch an die letzten drei Dinner in Amaliens Haus: Selten hatte sie sich so sehr gelangweilt, selten war sie von so steifen Leuten umgeben gewesen. Um nichts in der Welt wollte sie noch ein ähnliches Abendessen ertragen müssen. Doch erschien es ihr unmöglich, ihrer Patentante reinen Wein einzuschenken, denn schließlich wollte sie sie ja auch nicht beleidigen. So rief sie halt am Tag der Einladung an, um sich mit einer vorgetäuschten Grippe zu entschuldigen – ein schlechtes Gewissen hatte sie dabei nicht.
Nicht nur ihr Schweinehund war damit sehr zufrieden (schließlich hatte er sie ja auch bei dieser Entscheidung unterstützt), sondern viele andere hätten wahrscheinlich in einer vergleichbaren Situation ähnlich gehandelt. Und Sie? Kennen Sie nicht auch Situationen, wo Sie die Ehrlichkeit hintanstellen, um andere Menschen nicht vor den Kopf zu stoßen oder aus sonstigen vergleichbaren Motiven. In der Tat: Mit der Ehrlichkeit ist es so eine Sache, vielleicht ist sie von allen Tugenden die gefährdetste.
Ehrlichkeit ist eine vielschichtige Tugend. Im Grunde geht es darum, anderen und sich selbst gegenüber wahrhaftig zu sein. Aber das ist oft weder möglich, noch ist es sinnvoll, geschweige denn höflich.
Möglicherweise kennen Sie die Situation, dass Ihnen Ihr Gesprächspartner – ganz offen und ehrlich! – so detailliert von seinen Erlebnissen oder Gefühlen berichtet, dass Sie sich peinlich berührt fühlen. Sie wollen dies alles nicht wissen, wissen aber auch nicht, wie Sie Ihr Gegenüber stoppen können. Auf eine so verstandene, geradezu exhibitionistische Ehrlichkeit möchten Sie gerne verzichten.
Stellen Sie sich nun vor, Ihr Patenkind bringt Ihnen selbst gebackene Weihnachtsplätzchen mit. Liebevoll eingepackt – und für ihren Geschmack beinahe ungenießbar. Sagen Sie dies dem Kind? Natürlich nicht! Ehrlichkeit ist nicht Taktlosigkeit.
|107| Und auch nicht Herzlosigkeit. Es wäre geradezu absurd, den Aufenthaltsort eines zu Unrecht verfolgten Menschen »ehrlich« an dessen Peiniger zu verraten.
Wann also ist Ehrlichkeit eine Tugend? Nur dann, wenn dadurch keine andere, wichtigere Tugend verletzt wird. Zum Beispiel die Nächstenliebe, weshalb es im Zweifelsfall besser ist, nichts zu sagen als etwas Verletzendes. Oder die Hilfsbereitschaft, weshalb man manchmal besser lügen als jemanden verraten sollte, natürlich nur, wenn es wirklich darauf ankommt.
Durch diesen Definitionsspielraum hat es der Schweinehund allerdings leicht, Ihnen in die Parade zu fahren. Folgende Herausforderungen der Ehrlichkeit findet er ehrlich fürchterlich:
1. Fehler eingestehen.
25 Jahre nach seinem Diebstahl bei einem Lübecker Schiffsausrüster hat ein ehemaliger Praktikant das Diebesgut zurückgeschickt: vier Tabakspfeifen, ein vergoldetes Feuerzeug, einige Kugelschreiber und drei Kartenspiele. Er sendete es kurz vor Weihnachten an die Tochter des inzwischen verstorbenen Firmeninhabers
Weitere Kostenlose Bücher