Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund
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|122| Machen Sie Ihren Schweinehund zum Berater
Möglicherweise kommen Sie häufig zu spät. Oder bringen Ihre Unterlagen regelmäßig durcheinander. Oder betreiben das, was die Franzosen »corriger la fortune« nennen – Sie biegen sich die Realität ein bisschen gerade und sind sich selbst und anderen gegenüber nicht immer ganz aufrichtig. Vielleicht haben Sie sich schon oft vorgenommen, dass dieses »sofort!« oder »im neuen Jahr!« aufhören soll. Aber es ist wie verhext: Immer wieder tappen Sie in die gleichen Fallen, machen die gleichen Fehler.
Beschimpfen Sie sich nicht dafür. Fragen Sie lieber Ihren inneren Schweinehund, wozu dieser Schabernack gut sein soll. Denn so absurd Ihnen manche Ihrer Handlungsmuster auch vorkommen – viele haben einen tieferen Sinn.
Heiner lebt allein in einer spärlichen Wohnung, die er selbst im Winter kaum beheizt. Er ernährt sich einfach und geht lieber zu Fuß, als dass er sein Geld für eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ausgibt. Urlaubsreisen oder Theaterbesuche leistet er sich niemals. Als er hochbetagt stirbt, hinterlässt er ein beachtliches Vermögen.
Welche Motive könnten hinter einem solchen recht unkomfortabel erscheinenden Leben stehen? Hintergrund einer derartigen Sparsamkeit (um nicht zu sagen: Geiz) können sehr frühe Mangelerlebnisse sein. Diese bieten dann einen idealen Nährboden für die eigenartigsten Marotten des inneren Schweinehundes: Entweder, er hält seinen Menschen dazu an, überhaupt nichts wegzuwerfen, und sei es völlig unbrauchbares Gerümpel, oder er hindert ihn daran, seine finanziellen Mittel entspannt und vernünftig zu investieren. Oder beides.
Wie gesagt: Das ist gut gemeint. Der Schweinehund will seinen Menschen nach Leibeskräften davor bewahren, dass er jemals wieder einen Mangel erlebt, aber er erreicht mit seinen Interventionen gelegentlich genau das Gegenteil.
|123| Marianne kämpft mit ihrem Übergewicht, seit sie denken kann. »Ich werde schon dick, wenn ich nur eine Sahnetorte anschaue!«, ist sie überzeugt. Jahr für Jahr quält sie sich durch zahllose Diäten und Fastenkuren. Niemand kennt Kalorientabellen so gut wie sie. Weil ihre Ernährungsgewohnheiten aber zwischen strengem Maßhalten und Maßlosigkeit hin und her schwanken, verliert sie niemals dauerhaft an Gewicht. Sie ist verzweifelt. Denn eigentlich wünscht sie sich eine glückliche Partnerschaft. »Solange ich so aussehe wie jetzt, brauche ich gar nicht auf die Suche zu gehen«, ist Marianne überzeugt. »Wenn ich erst abgenommen habe, wird alles anders.«
Auch dieser Schweinehund meint es gut. Er hält sein Frauchen erfolgreich von dem ab, wovor sie sich am meisten fürchtet: vor der Nähe einer echten Beziehung. Warum? Möglicherweise hat sie negative Erfahrungen in ihrer eigenen Familie gemacht oder in einer früheren Beziehung. Gleichzeitig bewahrt er sie vor dieser bitteren Einsicht und vor der Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit, indem er ihr gesamtes Denken mit Kalorienzählen blockiert.
Fälle wie diese bedürfen möglicherweise etwas mehr als eines einfachen Dialogs mit dem inneren Schweinehund. Sie brauchen professionelle Hilfe. Wenn Sie aber unter einer leichten Schusseligkeit leiden oder unter einer nur leicht ausgeprägten Lust, hier und da hin und wieder etwas zu mogeln oder sich um Hilfsaktionen für andere herumzudrücken, dann kann Ihnen folgende Übung helfen. Beantworten Sie folgende vier Fragen für sich – schriftlich oder indem Sie einfach darüber nachdenken.
Wie und wo stört Sie Ihr innerer Schweinehund am hartnäckigsten? Welche Tugenden fallen ihm zum Opfer?
Wie sähe ein Tag in Ihrem Leben aus, wenn Sie keinen inneren Schweinehund hätten?
|124| Wenn Sie sich einen solchen Tag vorstellen – welche Situationen bereiten Ihnen Unbehagen?
Welche positiven Absichten stecken demnach hinter den Sabotageakten Ihres Schweinehundes?
Bei Marianne sähe dieses Gedankenexperiment so aus: »Mein Schweinehund verführt mich zu maßlosem Essen. Hätte ich keinen solchen Schweinehund, wäre ich schlank und attraktiv. Wenn ich mir vorstelle, mein Haus morgens in dieser Fasson zu verlassen, würde man sich möglicherweise nach mir umdrehen. Ich würde in der Mittagspause vielleicht ein Café besuchen und dort jemanden kennen lernen. Diese Vorstellung macht mir Angst. Mein Schweinehund will offenbar meine Pfunde bewahren, um mich vor dieser Angst zu schützen.«
Nutzen Sie die Kraft des
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