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Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund

Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund

Titel: Gut und richtig leben mit dem inneren Schweinehund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco von Muenchhausen
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lassen Sie sich bitte nicht von manchen Ergebnissen der Hirnforschung demotivieren. Zum Beispiel von der Behauptung einiger |155| Neurowissenschaftler, der Mensch habe nicht die Wahl, moralisch oder nicht moralisch zu handeln. »Unser gesamtes Handeln ist durch die Verschaltungen in unserem Gehirn determiniert«, erklärte etwa Hans Markowitsch, Hirnforscher in Bielefeld, in einem Interview im Spiegel . 21
    Wenn das der Fall wäre, bräuchten Sie wahrscheinlich dieses Buch nicht zu lesen. Sie hätten entweder das Glück, gleichsam »von Natur« aus gut und richtig zu leben, oder eben nicht.
    Andere Wissenschaftler gehen von einem angeborenen Sinn für Moral aus – so wie etwa Sprachforscher von einem im Gehirn verankerten Repertoire grammatikalischer Urregeln ausgehen. Die These vom Moralsinn basiert auf drei Annahmen:
     
Bei allen gesunden Menschen spielen sich ethische Entscheidungen in den gleichen Hirnregionen ab. Die Evolution könnte also eine Art »moralisches Gehirn« im Denkorgan verankert haben.
Überall auf der Welt haben Menschen ein ähnliches Gespür für Werte wie Fairness, Verantwortung oder Dankbarkeit. Bereits Kleinkinder verfügen über moralisches Urteilsvermögen.
Die Rechtssysteme aller Nationen fußen auf ähnlichen Ge- und Verboten.
    Wesentlich ist die Vermutung, dass dem Menschen ein Sinn für Moral angeboren ist, der aber – und hier liegt die Chance für Veränderungen – entwickelt werden muss. Bleibt er brachliegen, weil das Umfeld keinen Wert auf Werte legt, dann entsteht auch kein Verständnis für das Gute und das Böse, das Richtige und das Falsche.
    Experten verschiedener Fachrichtungen – Psychologen und Philosophen zum Beispiel – gehen davon aus, dass es ziemlich schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist, in fortgeschrittenem Alter zu einem tugendhaften Menschen zu werden, wenn die Grundlagen dazu nicht schon in der frühen Kindheit gelegt wurden. Verfeinerungen in Sachen Tugend sind aber durchaus möglich.
    |156| Das lässt sich sogar mit den Theorien vieler Hirnforscher erklären: Stellen Sie sich die Wege, die Ihr Denken nimmt, wie Trampelpfade auf einem verschneiten Platz vor. Je häufiger die Passanten (also Ihre Gedanken) einen Weg einschlagen, desto breiter wird er ausgetreten. Nachts verfestigt er sich zusätzlich, weil sich eine Eisschicht über den Schnee legt. (Etwas Ähnliches geschieht mit Ihren Gedankenwegen, während Sie schlafen.)
    Denken Sie sich nun eine Bushaltestelle auf der einen Seite des Platzes und eine Rolltreppe zur U-Bahn-Station auf der anderen Seite. Tagsüber steigen Hunderte von Personen hier um. Der Weg durch den Schnee ist entsprechend breit. Eines Tages wird die Bushaltestelle um 50 Meter verlegt. Was geschieht?
    Die Menschen, die von der U-Bahn-Station zur Bushaltestelle streben, schlagen zunächst die gewohnte Richtung ein, folgen dem ausgetretenen Trampelpfad und biegen erst recht spät zur neuen Haltestelle ab. Sie nehmen also einen Umweg in Kauf, um sich den mühsamen Weg durch den überfrorenen Schnee zu sparen.
    So lange, bis eine Person bewusst einen ganz neuen Weg beschreitet: Die kürzeste Verbindung zwischen beiden Haltestellen, quer durch den noch unberührten Schnee. Diesem Vorreiter folgen immer mehr Menschen, bis sich auch hier ein breit ausgetretener Weg gebildet hat. Auch dieser Weg verfestigt sich durch nächtliche Fröste.
    Nun existieren zwei Wege, der ursprüngliche und der neue. Es geschieht immer wieder, dass ein Passant so gestresst oder so zerstreut ist, dass er wieder den alten Pfad einschlägt.
    Wenn Sie nun also beschließen, pünktlicher, höflicher, ehrlicher, mutiger oder wie auch immer tugendhafter zu sein, dann müssen Sie bewusst einen neuen Weg einschlagen.
    Dieser Weg ist zunächst viel beschwerlicher als der alte: Sie stapfen durch unbekanntes Terrain, kennen sich nicht aus, können nicht »blind« ihren Erfahrungen folgen. Sie nehmen ein Risiko in Kauf (Ihr Ziel nicht zu erreichen), außerdem erhöhte Anstrengungen. Leider ist es nicht ausreichend, diesen Querfeldeinlauf ein einziges |157| Mal zu überstehen. Nein – der neue Weg muss immer und immer wieder beschritten werden, bis er sitzt. So funktioniert Lernen aus Sicht der Hirnforschung.

    »Auf ausgetretenen Pfaden marschiert es sich leichter!«
    Schweinehundanfällig ist die Sache aus zwei Gründen:
     
Das Beschreiten des neuen Weges erfordert zusätzliche Anstrengung. Der eigentliche Gewinn – insgesamt ist der Weg jetzt kürzer – kommt erst

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