Gut zu wissen (German Edition)
nennen mich Mr. L.“ David ließ Williams Hand los und sein Herz schmerzte beim Anblick des Jungen. „Das bedeutet –“
„Löwe.“
David sah von William zu Jerry. „Genau richtig. Woher weißt du –“ David setzte sich wieder auf den Stuhl und lehnte sich nach vorne, den Blick immer noch auf William gerichtet. „William, sprichst du auch Deutsch?“
„Ja.“
David sah wieder zu Jerry, der mit den Achseln zuckte. „Hey, ich hab schon ´Löwe´ nicht mehr verstanden.“
„Hey, mein Freund, das ist doch gut, oder?”
William nickte und sah zum ersten Mal auf. David konnte das Lächeln förmlich spüren, das sich auf William Gesicht ausbreiten wollte. Er liebte diese Momente, wenn er etwas entdeckte, das nur ihm und einem ganz bestimmten Schüler gehörte. William würde so etwas brauchen, damit er sich wohl fühlen konnte. David würde sichergehen, dass William der Übergang von einem Internat in der Schweiz zu einem Leben im ländlichen Alberta nicht schwerfallen würde. David war überrascht, wie glücklich es ihn machte, jemanden zu haben, mit dem er sein Deutsch üben konnte. Seit seine Großmutter vor mehr als zehn Jahren gestorben war, hatte David niemanden mehr gehabt, mit dem er Deutsch sprechen konnte. Oma Loewenberger war die Mutter seiner Mutter gewesen, aber seine Mutter hatte sich immer geweigert, Deutsch zu sprechen. Es ist so guttural und unangenehm, hatte sie sich immer beschwert. David hatte immer in sich hineingelacht und gedacht: Auch nicht schlimmer als das, was du der französischen Sprache antust.
„Deutsch auch?“ Jerrys Stimme riss David aus seinem Tagtraum. „Sind Sie auch in der Schweiz auf ein Internat gegangen?“
„Nein, meine Mutter ist in Saskatchewan geboren und aufgewachsen, aber ihre Familie stammt aus Österreich.“ David nippte an seinem Wasser. „Meine Oma , das bedeutet Großmutter, hat mir Deutsch beigebracht.“
„Die, deren Nachnamen Sie benutzen?“
David nickte, seinen Blick immer noch auf William gerichtet. „William, würde es dich stören, wenn ich dich bitte, mich herumzuführen, während dein ... während –“
„Wir haben entschieden, dass er mich Onkel Jerry nennen wird.“
„Während Onkel Jerry alles für das Grillen vorbereitet?“
„Mögen Sie Pferde?“ Williams Stimme war so zerbrechlich und dünn.
„Mögen?“ David klatschte in die Hände. „Ich liebe sie. Mein Lieblingspferd auf der Farm meiner Großeltern hieß King und ich –“
„Onkel Jerry hat auch ein Pferd, das King heißt!“ William griff nach Davids Hand und zog ihn zum Stall.
David formte mit dem Mund eine stumme Entschuldigung in Jerrys Richtung und ließ sich mitziehen. Jerry lächelte und folgte ihnen zur Tür. Er hatte William schon seit einigen Tagen nicht mehr so begeistert gesehen.
Jerry sah einen Moment zu, während William David zum Paddock führte. Williams kleine Beine arbeiteten auf Hochtouren, um die Pferde zu erreichen, die er seinem neuen Lehrer zeigen wollte. Lehrer. Jerry lachte in sich hinein. Wenn ich Lehrer wie den gehabt hätte, als ich im Internat war, hätte ich vielleicht nicht dauernd versucht, wegzulaufen. Jerry ging in die Küche, um das Fleisch fürs Grillen vorzubereiten, während er die letzten 20 Minuten Revue passieren ließ. Groß, dunkle Augen, toller Hintern, ein Händchen für Kinder. Und wenn es nicht funktioniert, sagte Jerry sich, kann er wenigstens dem Jungen Gesellschaft leisten. Aber etwas in Jerry sträubte sich bei dem Gedanken daran, David nur als Babysitter zu betrachten. Was ist nur los mit mir? Jerry dachte darüber nach, während er zur Rückseite des Hauses ging, um den Grill anzumachen. Würde es dich umbringen, Jerry, den Jungen für ein paar Jahre hier wohnen zu lassen und ihn dann zurück auf das Internat zu schicken? Und würde es dich umbringen, jemanden wie David anzusehen, ohne darüber nachzudenken, ob er schluckt oder ob sein Loch eng genug ist, dass du in einer halben Stunde oder weniger kommst? Du bist ein Schwein, entschied Jerry, als der Grill heiß genug für das Fleisch war, genau wie Kitty immer behauptet. Scheiß drauf. Jerry schnaubte und kam zu dem Schluss, dass alte Gewohnheiten sich eben schwer ablegen ließen und dass er sein Leben in den letzten paar Tagen schon genug geändert hatte.
Nachdem er den Grill zum Laufen gebracht hatte, ging Jerry zurück ins Haus und fand einen sehr aufgeregten und nervösen William vor, der auf ihn wartete. „Hab ich genug Zeit, Mr. Loewenberger mein
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