Gut zu wissen (German Edition)
Zimmer zu zeigen, Onkel Jerry?“ William Stand mit gerötetem Gesicht in der Küche und wartete auf eine Antwort.
„Natürlich, Junge.“
David ärgerte sich über die neutrale Anrede. Das kann doch nicht so schwierig sein. Williams Name ist schließlich kein Zungenbrecher. „Wie viel Zeit haben wir?“ David lächelte Jerry an, aber alle Wärme war daraus gewichen. Vielleicht wäre William in einem Pflegeheim doch besser aufgehoben. Der Gedanke entsetzte David und er rief sich zur Ordnung.
„20 Minuten?“
„Bitte, kommen Sie.“ William zog mit einem eindringlichen, besorgten Gesichtsausdruck an Davids Hand.
„Ich komme ja, William“, sagte David auf Deutsch und lachte. „Mach dich locker, ja!“ Er warf Jerry einen Blick zu und übersetzte: „Das bedeutet: Beruhige dich, ich komme.“
Jerry spürte, wie sich in seiner Jeans etwas regte. Er hätte nicht gedacht, dass er diese Worte so schnell aus diesem Mund hören würde und ganz bestimmt nicht in der Küche. Er konnte immer noch Kittys Stimme hören: Du bist ein Schwein! Jerry lachte in sich hinein, band sich eine Schürze um und rückte mit dem Handballen den Inhalt seiner Jeans zurecht.
Er konnte aus Williams Zimmer Stimmen hören, ein Gemisch aus Französisch, Englisch und Deutsch. Er hatte gar nicht gewusst, dass der Junge sich nicht für eine Sprache entscheiden konnte, wenn er aufgeregt war. Ein vergeblicher Gedanke kam ihm in den Sinn. Plötzlich wünschte er sich, er hätte niemals zugelassen, dass er das Französisch aus all seinen Jahren im Internat vergaß. Aber natürlich war er damals sowieso nur an dem Französisch der einheimischen Mädchen interessiert gewesen. Inzwischen konnte er sich nicht mal mehr daran erinnern, ob er damals jedes Mädchen gevögelt hatte, das ihm über den Weg gelaufen war, weil es ihm Spaß machte, oder weil er vergessen wollte, dass er lieber die Jungs gevögelt hätte.
„Mr. McK – “ Davids Stimme. „Sorry, ich meine, Jerry.“
David kam ohne William im Schlepptau um die Ecke. „Kann ich bei irgendetwas helfen? Vielleicht den Mais schälen?“
„Wo ist William?“
Davids erster Gedanke war: Als ob dich das interessiert. „Er spielt in seinem Zimmer. Ich habe ihm gesagt, dass ich nach unten gehen und helfen sollte.“
„Der Mais ist schon im Topf, aber vielleicht könnten Sie den Tisch decken?“
„Natürlich.“ David drehte sich um, ohne zu wissen, in welchen Schrank er zuerst schauen sollte. „Ähm ...“
„Im Schrank über der Spüle.“
„Natürlich, Entschuldigung.“ David öffnete den Schrank und nahm drei große Teller, drei kleine Teller und drei Schüsseln heraus. „Die sind exquisit.“ David drehte einen der Teller um und bemerkte die Initialen auf der Rückseite. „Haben Sie die gemacht?“
„Ja.“ Jerry drehte sich vom Kochtopf weg, um ihn anzusehen. „Töpfern Sie?“
„Nein.“ David wurde rot. „Ich befürchte, ich habe keinerlei künstlerisches Talent.“ Als Jerry nichts erwiderte, fühlte David sich genötigt, die Stille zu füllen. „Ich bin schon in der Grundschule in Kunst durchgefallen.“
„Ich auch.“ Jerry lachte und seine Stimme ließ Davids Körper von oben bis unten erschauern. „Aber wahrscheinlich nur, weil ich ständig geschwänzt habe.“
„In der Grundschule?“
Jerry zuckte als Antwort nur mit den Schultern und zwinkerte. Der Blick, den Jerry ihm zuwarf, setzte sich in Davids Lenden fest und weckte ein Verlangen, von dem er dachte, dass er es zusammen mit Sampsons Sachen auf den ungeplanten, spontanen Straßenflohmarkt geworfen hatte. Niemals wieder, hatte er sich geschworen, aber jetzt, als er Jerry dort so stehen sah, beobachtete, wie die Muskeln an seinem Unterarm sich anspannten und entspannten, konnte er sich nicht mehr erinnern, warum er sich das überhaupt geschworen hatte.
„Ich wollte Sie etwas fragen, Jerry“, begann David von neuem. „Ich meine, ich wollte schon immer den Künstler etwas fragen, falls ich ihn treffen sollte. Sollte Becoming Morning solche starken, traurigen Gefühle im Betrachter hervorrufen?“
„Warum fragen Sie das?“ Jerry hatte sich umgedreht und lehnte am Herd, die Arme vor der Brust verschränkt.
„Ich weiß nicht, es ist nur ... wann immer ich dort gesessen und es angestarrt habe, fühlte ich mich so ... ich fühlte mich, als hätte ich etwas verloren.“ David spürte, wie er bei diesen rührseligen Worten rot wurde, aber er hatte es noch nie gegenüber jemand anderem besser in Worte
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