Gute Beziehungen
trennte. Besorgt stand ich auf, um zu sehen, ob sie meine Blumen zertrampelten. Aber die Jungen waren vorsichtig und holten den Ball, ohne eine einzige Pflanze zu beschädigen. Sie erwiesen sich beim Ballholen als ebenso geschickt wie bei ihrem Spiel. Erleichtert setzte ich mich wieder und trank meinen Kaffee aus.
Bis zu meinem Büro war es eine Fahrt von rund 20 Minuten. Während ich mich durch den Morgenverkehr schlängelte, dachte ich über die Szene vor meinem Küchenfenster nach. Gelegentlich hört man Leute über eine sogenannte Epiphanie berichten, eine plötzliche Erscheinung oder Erleuchtung. Ich vermute, so etwas habe ich wohl an diesem Morgen erlebt. Ohne darüber nachgedacht zu haben, wurde mir plötzlich klar, dass mein Küchenfenster das gesuchte Modell war. Ich sah die Jungen durch die obere Glasfläche des Fensters, und mir gefiel, was ich sah; es hatte, wie wir damals sagten, eine »positive Ausstrahlung«. Doch dann rutschte der Ball den Jungen aus der Hand und trudelte auf mein Blumenbeet zu. Um zu sehen, wohin er rollte, musste ich aufstehen und durch die untere Scheibe auf das Blumenbeet schauen. Ich war besorgt und hatte Angst, dass die neu gepflanzten Blumen zertrampelt würden. Doch sie blieben verschont,und ich konnte mich wieder entspannen. Damit hatte ich mein Modell: ein Fenster.
In meinem Büro angekommen, setzte ich mich an meinen Schreibtisch und begann Fenster zu zeichnen. Es dauerte ein paar Tage, bis ich es hinbekam, aber als ich zufrieden war, setzte ich eine Besprechung an und legte meinen Mitarbeitern das Diagramm zur Begutachtung vor. Zunächst erklärte ich das Fenster, dann machten sie Vorschläge, wiesen auf Dinge hin, an die ich nicht gedacht hatte, waren aber im Großen und Ganzen mit dem Konzept einverstanden.
Der Rest dieses Kapitels wird von dem Fenster weitgehend in der Form handeln, in der ich es meinen Mitarbeitern an jenem Morgen vorgelegt habe. Ich hoffe, es beantwortet einige grundsätzliche Fragen zum Problembesitz und weiß auch eine Antwort auf das unvermeidliche »Gut, und was tue ich dann?«
Jetzt wollen wir noch eine dritte Fläche in das Fenster einfügen, indem wir die obere Hälfte der akzeptablen Verhaltensweisen noch einmal in zwei Flächen unterteilen.
Zur Veranschaulichung des Problembesitzes setze ich einige »Vs« (für »Verhaltensweisen«) in das Fenster
Das Verhaltensfenster lässt erkennen, ob jemand ein Problem hat und wer es gegebenenfalls ist. Das ist erforderlich, damit Sie entscheiden können, was zu tun ist, was der Situation angemessen ist.
Der »Problembesitz« ist nicht schwer zu bestimmen. Wer negative Gefühle empfindet, »besitzt« diese Gedanken und Gefühle, und nur er oder sie selbst kann sie lösen. Wenn Sie oder ich versuchen, die Probleme eines anderen zu lösen, machen wir gewöhnlich alles nur noch schlimmer. Hin und wieder sage ich Eltern, wenn sie weiterhin abhängige Kinder haben wollen, sollten sie ihnen auch weiterhin alles abnehmen. Wer seinem Kind beispielsweise ständig die Schuhe zubindet, sorgt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kind nur schwer lernen wird, es selbst zu tun. Anhand dieses Tun-für erklären wir in unseren Seminaren jene Art von Hilfe, die hilflos macht. Manchmal habe ich vorn in meinen Kursräumen ein großes Schild aufgehängt, auf dem stand: » Achtung! Hilfe kann jeden Augenblick zuschlagen«, um eine Diskussion anzustoßen über den Unterschied zwischen der Art von Hilfe, bei der wir etwas für jemanden tun, und der Hilfe, bei der wir etwas mit jemandem tun. Die Bibel erklärt diese Idee mit dem Gleichnisder Fische: Lehre die Menschen zu fischen, und sie können sich selbst ernähren. Alle guten Eltern, Lehrer und Vorgesetzte halten sich an dieses Prinzip, um ihren Kindern, Schülern und Mitarbeitern Kompetenz zu vermitteln.
Damit empfehle ich keine kühle, distanzierte Haltung gegenüber Menschen, die Schwierigkeiten haben oder leiden – nach dem Motto »Das ist dein Problem«. Ich bin aber dafür, dass wir ihnen assistieren, was etwas anderes ist als ihnen zu helfen oder Dinge für sie zu tun, die sie selbst tun können. Eine genaue Beurteilung des Problembesitzes ist der erste Schritt des Assistenz-Prozesses.
Die bewegliche Linie
Anfänglich bestand unser Verhaltensfenster aus zwei Flächen, dem oberen Abschnitt für die akzeptablen Verhaltensweisen (okay) und dem unteren für die nicht akzeptablen (nicht-okay). Dann haben wir die obere Fläche noch
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