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Gute Beziehungen

Gute Beziehungen

Titel: Gute Beziehungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Gordon
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verteidigen, haben Menschen gekämpft und ihr Leben gelassen. Das vorliegende Kapitel beschäftigt sich mit diesen Werten und mit der Frage, was es mit einigen von ihnen auf sich hat und wie wir trotz Wertunterschieden friedlich miteinander leben können.
    Nach dem Deutschen Universalwörterbuch der Dudenredaktion ist ein Wert die »einer Sache innewohnende Qualität  … die positive Bedeutung, die jemandem, einer Sache zukommt«. Werte sind die Qualitäten, denen wir die Begriffe »gut« und »richtig« zuordnen. Wir haben fast alle die gleichen Grundwerte, wohingegen die Unterschiede in erster Linie eine Frage der Priorität sind.
    Und doch sind unterschiedliche Werte häufig dafür verantwortlich, dass Familien zerfallen, Freundschaften zerbrechen und wir einander fremd werden. Wir mögen ja dafür gesorgt haben, dass einige unserer sozialen und ethischen Werte vor staatlichen Übergriffen geschützt sind, doch was können wir tun, um pfleglicher mit unseren persönlichen Werten umzugehen?
Der Raucher
    Zur Unterscheidung zwischen einem Bedürfnis- und einem Wertekonflikt kann unter anderem der Umstand dienen, dass sich ein Bedürfniskonflikt konkret auf die Beteiligtenauswirkt, der Wertekonflikt jedoch nicht. Nehmen wir an, mein Bruder hätte mir – sehr zu meinem Kummer – erzählt, dass er wieder mit dem Rauchen angefangen hat. Wie könnte meine Ich-Botschaft lauten, falls ich ihn konfrontieren wollte? »Wenn du rauchst, mache ich mir Sorgen um deine Gesundheit, weil …« Weil? Was für konkrete Auswirkungen hat das Rauchen auf mich, wenn ich nicht passiv mitrauche?
    Antwort: keine. Nicht, dass ich nichts dagegen hätte. Natürlich habe ich Angst, dass es ihm schaden könnte, und natürlich möchte ich ihn unbedingt davon abhalten. Aber er setzt seine Gesundheit aufs Spiel, nicht meine.
    So kann ich zum Beispiel meine Gedanken und Gefühle auf eine möglichst wenig aggressive Weise zum Ausdruck bringen, das heißt, durch eine zweiteilige Ich-Botschaft, die aus einer vorwurfsfreien Beschreibung des Verhaltens und meinen Gefühlen besteht. »Wenn du Zigaretten rauchst, habe ich Angst, dass du deiner Gesundheit nachhaltig schadest.« Oder so ähnlich. Vielleicht raucht er trotzdem weiter, schließlich macht Tabak genauso süchtig wie Heroin. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht reicht meine Besorgnis aus, um ihn zum Nichtraucher zu bekehren. Herausfinden kann ich es nur, wenn ich es versuche.
    Verändern wir das Szenario ein bisschen. Nehmen wir an, mein Bruder ist vierzehn, und ich bin sein Vormund. Hat sein Rauchen auf mich konkrete Auswirkungen, die er verstehen und zugeben wird? In diesem Fall kann ich die Situation mit der Keiner-verliert-Methode lösen. Doch wie könnte die Wirkung aussehen?
    Manch einer wird sagen: »Was soll das Theater, ich schlage mit der Faust auf den Tisch und sage ›Es wird nicht mehr geraucht und damit Basta!‹.«
    Meinen Sie, das klappt?
    Kommunikationssperre Nummer eins, Befehlen, Anordnen, Auffordern, ist in einem Wertekonflikt wahrscheinlich die ungeeignetste Methode. Wenn sich das Handelneines Menschen real und negativ auf mich auswirkt, wenn es mir in irgendeiner Weise schadet, wird es ihm zwar nicht gefallen, dass ich ihm Vorhaltungen mache, aber vielleicht kann er es verstehen. Oft haben Kinder, die in solchen Fällen verbaler oder physischer Gewalt ausgesetzt waren, zu mir gesagt: »Na ja, das habe ich mir wohl selber eingebrockt«. Doch diese Beispiele betreffen alle Verhaltensweisen, die erkennbare negative Auswirkungen haben. Wo ist die Wirkung bei einer Wertekollision? Welchen Preis bezahlen Sie? Die Anwendung von Strafe mit der Absicht, das Verhalten eines anderen zu korrigieren, ist in keiner Situation zu empfehlen, doch bei einer Kollision von Wertvorstellungen ist sie ganz und gar nutzlos.
    Hat sich bei Lektüre der letzten Absätze Ihre Einstellung je nach dem Alter des Bruders verändert? Viele Menschen stellen verblüfft fest, dass sie auf ein und dasselbe Verhalten unterschiedlich reagieren, wenn es von Personen verschiedenen Alters gezeigt wird. Ein Teilnehmer in einem unserer Seminare sagte: »Es ist schon komisch, dass so viele von uns sich einem erwachsenen Bruder gegenüber vernünftig verhalten, ein Kind aber bestrafen würden. Wie kommt das? Denken wir wirklich alle, dass uns unsere Macht das Recht dazu gibt?« Ich hatte schlechte Nachrichten für diesen scharfsinnigen Beobachter. Seine Befürchtungen sind gerechtfertigt. Hier dient Macht

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