Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
den Kopf schief, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte.
»Glauben Sie, das Zeug wird je jemand lesen?« Gretchen lachte. Sie war adrett in ihrem Dienstmädchenkleid. Sie trug Lippenstift, denselben Rosaton, den meine Freundinnen und ich trugen. Sie war jung. Sie sprach von der Intonation und Artikulation her wie eine Weiße. Aus irgendeinem Grund machte es das noch schlimmer.
»Die farbigen Frauen, die Sie interviewt haben, waren alle nett zu Ihnen, was?«
»Ja«, sagte ich. »Sehr nett.«
Gretchen sah mir genau in die Augen. »Sie hassen Sie. Das ist Ihnen doch klar, oder? Jede kleinste Kleinigkeit an Ihnen. Aber Sie sind so blöd, sich einzubilden, Sie täten ihnen einen Gefallen.«
»Sie müssen nicht mitmachen«, sagte ich. »Sie haben sich ja freiwillig …«
»Wissen Sie, was das Netteste war, was je eine Weiße für mich getan hat? Dass sie mir den Kanten von ihrem Brot gegeben hat. Die farbigen Frauen, die hierherkommen, machen Ihnen doch nur was vor. Die werden Ihnen nie die Wahrheit sagen, Lady.«
»Sie haben doch gar keine Ahnung, was mir die anderen Frauen erzählt haben«, erwiderte ich, verblüfft, wie geballt sich mein Zorn anfühlte und wie leicht er hervorschnellte.
»Sagen Sie’s, Lady, sagen Sie das Wort, das Sie jedes Mal denken, wenn eine von uns zur Tür reinkommt. Nigger.«
Aibileen stand von ihrem Hocker auf. »Das ist genug, Gretchen. Geh jetzt heim.«
»Und du, Aibileen, weißt du was? Du bist genauso blöd wie sie«, sagte Gretchen.
Ich erschrak, als Aibileen auf die Tür zeigte und zischte: »Mach jetzt sofort, dass du aus meinem Haus kommst.«
Gretchen ging, aber durch die Fliegentür schoss sie noch einen so wütenden Blick auf mich ab, dass es mir kalt über den Rücken lief.
Zwei Abende später sitze ich Callie gegenüber. Sie hat krauses, fast graues Haar. Sie ist siebenundsechzig und trägt noch ihre Dienstmädchenuniform. Sie ist breit und massig, und ihr Gesäß hängt über den Stuhl. Ich bin immer noch nervös nach dem Interview mit Gretchen.
Ich warte, während Callie ihren Tee umrührt. In der Ecke von Aibileens Küche steht eine Papiertragetasche. Sie ist voll mit Kleidern, oben hängt eine weiße Hose heraus. Sonst ist es bei Aibileen sehr ordentlich. Ich weiß nicht, warum sie nicht endlich mal etwas mit der Tüte macht.
Callie fängt an zu reden, und ich tippe mit, dankbar für ihr gemächliches Tempo. Sie starrt in die Ferne, als sähe sie irgendwo hinter mir auf einer Filmleinwand die Szenen, die sie beschreibt.
»Achtunddreißig Jahre war ich bei Miss Margaret. Sie hatte ein Baby, ein kleines Mädchen, das hat immer Bauchweh gehabt, und das Einzige, was geholfen hat, war, die Kleine rumzutragen. Also hab ich mir eine Tragschlinge gemacht. Ich hab sie mir auf den Bauch gebunden und den ganzen Tag rumgetragen, ein Jahr lang. Mir ist schier der Rücken durchgebrochen. Hab jeden Abend Eisbeutel drauf getan und tu’s immer noch. Aber ich hab die Kleine gern gehabt. Und Miss Margaret auch.«
Sie trinkt einen Schluck von ihrem Tee, während ich ihre letzten Worte tippe. Dann schaue ich auf, und sie spricht weiter.
»Miss Margaret hat immer gewollt, dass ich mir ein Kopftuch umbind, hat gesagt, sie weiß, dass Farbige sich nie die Haare waschen. Hat immer das Silber nachgezählt, wenn ich mit dem Putzen fertig war. Wie Miss Margaret nach dreißig
Jahren am Frauenleiden gestorben ist, war ich auf der Beerdigung. Ihr Mann hat mich umarmt, hat an meiner Schulter geheult. Wie’s vorbei war, hat er mir einen Umschlag gegeben. Drin war ein Brief von Miss Margaret. Da stand: ›Danke. Dass Sie meinem Baby geholfen haben. Das habe ich nie vergessen.‹«
Callie nimmt die Brille mit dem schwarzen Gestell ab, wischt sich die Augen.
»Wenn mal eine weiße Lady meine Geschichte liest, ist es das, was sie wissen soll. Danke sagen, wenn man’s wirklich meint. Wenn man nicht vergessen kann, was jemand für einen getan hat« – sie schüttelt den Kopf, blickt auf die zerkratzte Tischplatte –, »das tut dem andern so gut.«
Callie schaut auf, aber ich kann ihr nicht in die Augen sehen. » Kleinen Augenblick«, sage ich. Ich presse mir die Hand auf die Stirn. Ich muss an Constantine denken. Ich habe ihr nie gedankt, nicht richtig. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass ich irgendwann nicht mehr die Möglichkeit dazu haben könnte.
»Alles okay, Miss Skeeter?«, fragt Aibileen.
»Ich … alles okay«, sage ich. »Machen wir
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