Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
bisschen so mit dir hier sitzen. «
Jetzt, wo Stuart die nächsten sechs Tage weg ist, kann ich mich ganz auf die Interviews konzentrieren. Ich gehe jeden Abend zu Aibileen, so nervös wie beim ersten Mal. Die Frauen sind groß, klein, asphaltschwarz oder karamellbraun. Wenn deine Haut zu hell ist, erfahre ich, kriegst du keine Arbeit. Je schwärzer, desto besser. Manchmal werden die Themen sehr prosaisch: der niedrige Lohn, die lange Arbeitszeit, die verzogenen Kinder. Aber dann wieder erzählen sie von weißen Babys, die in ihren Armen gestorben sind, vom sanften, leeren Blick der immer noch blauen Augen.
»Olivia hat sie geheißen, so ein winziges Baby. Klammert die
kleinen Händchen um meine Finger und atmet so schwer«, sagt Fanny Amos bei unserem vierten Interview. »Ihre Mama war nicht zu Haus, war losgefahren, Mentholsalbe kaufen. Nur ich war da und ihr Daddy. Er wollt nicht, dass ich sie ableg, wollt, dass ich sie halt, bis der Doktor da ist. Das Baby ist in meinen Armen kalt geworden.«
Da ist unverhohlener Hass auf weiße Frauen, da ist unerklärliche Liebe. Faye Belle, tattrig und grauhäutig, erinnert sich nicht mehr, wie alt sie ist. Ihre Geschichten entfalten sich wie zartes Leinen. Sie erinnert sich, mit einem kleinen weißen Mädchen in einem Schrankkoffer gekauert zu haben, während Yankee-Soldaten durchs Haus stapften. Vor zwanzig Jahren hat sie dieses weiße Mädchen, inzwischen eine alte Frau, auf dem Sterbebett in den Armen gehalten. Beide erklärten einander, wie gern sie sich hatten. Schworen einander, dass der Tod daran nichts ändern würde. Dass die Hautfarbe nichts zu sagen hatte. Der Enkel der weißen Frau zahlt immer noch Faye Belles Miete. Wenn sie sich stark fühlt, geht sie manchmal hinüber und räumt seine Küche auf.
Louvenia ist mein fünftes Interview. Sie ist Lou Anne Templetons Dienstmädchen, und ich kenne sie, weil sie mich schon beim Bridgekränzchen bedient hat. Louvenia erzählt mir, wie ihr Enkel Robert vor Monaten von einem Weißen blindgeprügelt wurde, weil er eine Weißentoilette benutzt hatte. Ich erinnere mich, in der Zeitung so etwas gelesen zu haben, und Louvenia nickt und wartet, dass ich mit Tippen hinterherkomme. In ihrer Stimme ist keinerlei Zorn. Ich erfahre, dass Lou Anne, die ich immer für seicht und langweilig gehalten und nicht weiter beachtet habe, Louvenia zwei Wochen bezahlten Urlaub gegeben hat, damit sie sich um ihren Enkel kümmern konnte. Siebenmal hat sie Louvenia in dieser Zeit einen Auflauf vorbeigebracht. Sie hat Louvenia ins Farbigenkrankenhaus gefahren, als der Anruf wegen Robert kam, und hat sechs Stunden dort mit ihr gewartet, bis die Operation beendet
war. Davon hat uns Lou Anne nie etwas erzählt. Und ich verstehe vollkommen warum.
Es kommen zornige Geschichten über weiße Männer, die sich über sie hergemacht haben. Winnie sagt, sie sei immer wieder gezwungen worden. Cleontine erzählt, sie habe sich gewehrt, bis sein Gesicht blutete, und er habe es nie wieder versucht. Aber was mich am meisten verblüfft, ist das widersprüchliche Nebeneinander von Zuneigung und Geringschätzung. Die meisten dürfen bei den Hochzeiten »ihrer« weißen Kinder anwesend sein, aber nur in ihrer Dienstmädchenuniform. Das weiß ich alles, aber aus dem Mund einer Farbigen ist es, als hörte ich es zum ersten Mal.
Wir sind minutenlang sprachlos, nachdem Gretchen gegangen ist.
»Wir machen einfach mit der Nächsten weiter«, sagt Aibileen schließlich. »Das … brauchen wir ja nicht zu nehmen.«
Gretchen ist Yule Mays Cousine. Sie war vor Wochen beim Gebetstreffen für Yule May in Aibileens Haus, gehört aber zu einer anderen Kirchengemeinde.
»Ich verstehe nicht, warum sie mitmachen wollte, wenn …« Ich will nach Hause. Die Muskelstränge an meinem Hals sind hart. Meine Finger zittern vom Tippen und vom Zuhören.
»Tut mir leid, ich hatt keine Ahnung, dass sie das machen würd.«
»War nicht Ihre Schuld«, sage ich. Ich will sie fragen, wie viel von dem, was Gretchen gesagt hat, stimmt. Aber ich kann nicht. Ich kann Aibileen nicht ins Gesicht sehen.
Ich hatte Gretchen die »Regeln« erklärt, genau wie den anderen. Gretchen hatte sich auf ihrem Stuhl zurückgelehnt. Ich dachte, sie überlegte sich ihre Geschichte. Aber sie sagte: »Wissen Sie, was Sie sind? Noch so eine weiße Lady, die Farbige ausnutzt.«
Ich drehte mich zu Aibileen um, unsicher, was ich darauf
sagen sollte. Hatte ich das mit dem Geld nicht klargestellt? Aibileen hielt
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