Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
sie’s bisher nicht getan hat, wird sie’s jetzt garantiert tun.« Der Senator lacht.
»Stuart sagt, Sie versuchen sich auch an ernsthafteren Themen. Gibt es da etwas Bestimmtes?«
Jetzt schauen mich alle an, einschließlich des Dienstmädchens – ein anderes als das an der Tür –, das mir gerade ein Glas Tee reicht. Ich blicke der Farbigen nicht ins Gesicht, weil ich Angst vor dem habe, was ich dort sehen könnte. »Ich arbeite an … an …«
»Eugenia schreibt über das Leben Jesu«, platzt Mutter dazwischen, und mir fällt wieder ein, dass das meine jüngste Erklärung für meine allabendliche Abwesenheit war – »Recherche« habe ich es genannt.
»Oh«, sagt Missus Whitworth allem Anschein nach beeindruckt, »das ist fraglos ein ehrbares Thema.«
Ich versuche zu lächeln, angewidert von meiner eigenen Stimme. »Und so ein … wichtiges.« Ich schaue zu Mutter hinüber. Sie strahlt.
Die Haustür fällt mit solcher Wucht zu, dass sämtliche Glasleuchter erregt klimpern.
»Tut mir leid, dass ich jetzt erst komme.« Stuart stürmt mit großen Schritten herein, zerknittert von der Autofahrt, schlüpft im Gehen in seinen marineblauen Blazer. Wir stehen alle auf, und seine Mutter breitet die Arme aus, aber er kommt direkt zu mir. Er legt mir die Hände auf die Schultern und küsst mich auf die Wange. »Entschuldige«, flüstert er, und ich atme aus, entspanne mich endlich um ein, zwei Zentimeter. Ich drehe mich um und sehe seine Mutter lächeln, als hätte ich mir gerade ihr bestes Gästehandtuch geschnappt, um meine dreckigen Hände daran abzuputzen.
»Nimm dir etwas zu trinken, Junge, setz dich«, sagt der Senator. Als Stuart seinen Drink hat, setzt er sich neben mich aufs Sofa, drückt meine Hand und lässt sie nicht mehr los.
Missus Whitworth wirft einen Blick auf unser händchenhaltendes
Idyll und sagt: »Charlotte, was halten Sie davon, wenn ich Ihnen und Eugenia das Haus zeige?«
Eine Viertelstunde lang folge ich Mutter und Missus Whitworth von einem prächtigen Raum in den anderen. Mutter bestaunt verzückt das Originaleinschussloch einer Yankee-Kugel im vorderen Empfangszimmer. Die Kugel steckt noch im Holz. Da sind Briefe von Konföderierten-Soldaten auf einem Föderalzeit-Schreibtisch, strategisch platzierte uralte Brillen und Taschentücher. Das Haus ist ein Schrein für den Krieg zwischen den Bundesstaaten, und ich frage mich, wie es für Stuart gewesen sein muss, in einem Zuhause aufzuwachsen, wo man nichts anfassen darf.
Im dritten Stock gerät Mutter in Verzückung über ein Himmelbett, in dem Robert E. Lee geschlafen hat. Als wir schließlich über eine »Geheimtreppe« wieder herunterkommen, bleibe ich bei Familienfotos im Flur stehen. Ich sehe Stuart und seine beiden Brüder als Babys. Stuart mit einem roten Ball. Stuart im Taufkleid, im Arm einer farbigen Frau in einer weißen Dienstmädchenuniform.
Mutter und Missus Whitworth gehen den Flur entlang, aber ich betrachte immer noch die Fotos, weil Stuarts Kindergesicht so süß und rührend ist. Er hat dicke Pausbacken und die gleichen leuchtend blauen Augen wie jetzt. Sein Haar ist weißblond, wie Pusteblumenflaum. Mit neun oder zehn hält er ein Jagdgewehr und eine Wildente. Mit fünfzehn steht er neben einem erlegten Reh. Da schon sieht er auf männliche Art gut aus. Ich bete zu Gott, dass er meine Teenagerfotos nie sieht.
Ich gehe ein paar Schritte weiter und sehe seine Highschool-Abschlussfeier, dann Stuart stolz in der Uniform einer Militärakademie. In der Mitte der Wand ist eine leere Stelle, ein Tapetenrechteck, eine Spur dunkler als seine Umgebung. Hier ist ein Bild abgenommen worden.
»Dad, das ist jetzt wirklich genug über …«, höre ich Stuart unwirsch sagen. Aber dann ist es ebenso plötzlich wieder still.
»Es ist serviert«, höre ich ein Dienstmädchen verkünden, und ich arbeite mich wieder ins Wohnzimmer zurück. Wir wandern in ein Esszimmer mit einem langen, dunklen Tisch. Die Phelans sind auf der einen Seite platziert, die Whitworths auf der anderen. Ich sitze Stuart diagonal gegenüber, so weit von ihm weg wie möglich. Die Vertäfelungspaneele im gesamten Zimmer zeigen gemalte Szenen aus Vor-Bürgerkriegszeiten: fröhliche Neger beim Baumwollpflücken, Pferdefuhrwerke, weißbärtige Staatsmänner auf den Stufen unseres Kapitols. Wir warten, weil der Senator noch im Wohnzimmer zurückgeblieben ist. »Ich komme gleich, fangt schon mal an.« Ich höre Eiswürfel klimpern, zweimal das dumpfe Klacken der
Weitere Kostenlose Bücher