Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
den Blick von dieser fesselnden Lektüre löst, braucht es schon eine schockierende Frage.
»Eugenia, ich sagte doch, ihre Schwester war krank, deshalb ist sie nach Chicago zu ihren Verwandten gezogen«, erklärt sie. »Warum? Wer hat dir etwas anderes erzählt?«
Nie und nimmer würde ich ihr sagen, dass es Aibileen war. »Ich habe es heute Nachmittag gehört. In der Stadt.«
»Wer redet denn über so etwas?« Mutters Augen hinter der Lesebrille werden schmal. »Das kann nur eine von den anderen Negerinnen gewesen sein.«
»Was hast du mit ihr gemacht, Mutter?«
Mutter leckt sich über die Lippen, mustert mich lange und gründlich über ihre Zweistärkenbrille hinweg. »Das verstehst du nicht, Eugenia. Nicht, solange du kein eigenes Personal hast.«
»Du … hast sie gefeuert ? Warum?«
»Das spielt keine Rolle. Es ist passé, und ich möchte nicht mehr daran denken.«
»Mutter, sie hat mich großgezogen. Du sagst mir jetzt, was passiert ist!« Ich ärgere mich über meine kieksende Stimme, den kindlichen Klang meiner Forderung.
Mutter quittiert meinen Ton mit hochgezogenen Augenbrauen, nimmt die Brille ab. »Es war nur so eine Farbigengeschichte. Und mehr werde ich nicht sagen.« Sie setzt die Brille wieder auf und nimmt sich den DAR-Newsletter vor.
Ich zittere vor Wut. Renne polternd die Treppe hinauf. Ich setze mich an meine Schreibmaschine, schockiert, dass meine Mutter sich so einfach einer Frau entledigt, die ihr den größten Gefallen ihres Lebens getan hat, indem sie ihre Kinder aufzog, und die mich Menschlichkeit und Selbstachtung gelehrt hat. Ich starre auf die Röschentapete, die Lochstickereigardinen, die vergilbten Fotos, die mir so vertraut sind, dass es schon an Überdruss grenzt. Neunundzwanzig Jahre hat Constantine bei uns gearbeitet.
Die ganze nächste Woche steht Daddy vor Tagesanbruch auf. Wenn ich aufwache, höre ich Lastwagenmotoren, das Rattern der anspringenden Pflückmaschinen, die antreibenden Rufe. Die Felder sind braun und dürr von abgestorbenen Baumwollstängeln, entlaubt, damit die Maschinen an die Bäusche kommen. Die Baumwollernte hat begonnen.
In der Erntezeit pausiert Daddy nicht einmal für den Kirchgang, aber am Sonntag erwische ich ihn im dämmrigen Eingangsflur, zwischen seinem Abendessen und dem Zubettgehen. »Daddy?«, frage ich. »Erzählst du mir, was mit Constantine war?«
Er ist so hundemüde. Er seufzt nur.
»Wie konnte Mutter sie feuern, Daddy?«
»Was? Kind, Constantine hat gekündigt. Du weißt doch, dass deine Mutter sie nie entlassen hätte.« Er schaut mich an, enttäuscht, dass ich so etwas frage.
»Weißt du, wo sie hingegangen ist? Oder hast du ihre Adresse?«
Er schüttelt den Kopf. »Frag deine Mama, die weiß es bestimmt. « Er tätschelt mir die Schulter. »Die Leute haben irgendwann ihre eigenen Pläne, Skeeter. Aber ich wollte, sie wäre bei uns geblieben.«
Er schlurft durch den Flur in Richtung Bett. Er ist ein viel zu ehrlicher Mensch, um mir etwas vorzulügen, also ist klar, dass er nicht weiß, was wirklich passiert ist.
Von da an fahre ich ein bis zwei Mal die Woche zu Elizabeth, um mit Aibileen zu reden. Elizabeth scheint jedes Mal wachsamer. Je länger ich in der Küche bleibe, desto mehr Aufgaben für Aibileen führt sie ins Feld, bis ich schließlich gehe: Die Türknäufe müssen poliert werden, die Platte des Kühlschranks ist staubig, Mae Mobleys Fingernägel sind zu lang. Aibileen ist auf eine verhaltene Art freundlich, nervös, steht an der Spüle und arbeitet die ganze Zeit, während sie mit mir redet. Bald schon habe ich Tipps auf Vorrat, und Mister Golden scheint zufrieden mit meinen Texten, die ich vom ersten an in jeweils zwanzig Minuten heruntergeschrieben habe.
Und jede Woche frage ich Aibileen nach Constantine. Ob sie mir ihre Adresse besorgen kann. Ob sie mir irgendetwas darüber erzählen kann, warum Constantine gefeuert wurde. Ob es einen großen Krach gegeben hat, weil ich mir nicht
vorstellen kann, dass Constantine einfach nur Ja, Ma’am sagt und durch die Hintertür verschwindet. Wenn Mama wegen eines angelaufenen Silberlöffels mit ihr aneinandergeriet, servierte ihr Constantine eine Woche lang verbrannten Toast. Ich kann nur spekulieren, was bei ihrer Entlassung los gewesen sein muss.
Aber es ist alles müßig, weil Aibileen mich nur achselzuckend ansieht und sagt, sie habe keine Ahnung.
Eines Nachmittags, nachdem ich (die ich in meinem ganzen Leben noch keine Badewanne geschrubbt habe) mir von
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