Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
hat. Es ist schön, es jemandem zu erzählen.
Aibileen nickt und enthäutet die nächste weiche, rote Tomate. »Mein Sohn Treelore, der hat auch gern geschrieben.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie einen Sohn haben.«
»Er ist tot. Zwei Jahre jetzt.«
»Oh, tut mir leid«, sage ich, und einen Moment lang sind da nur Prediger Green und das Platschen von Tomatenhaut, die in die Spüle fällt.
»Hat in allen Englischarbeiten immer nur ein glattes A gehabt. Und später, wie er dann groß war, hat er sich eine Schreibmaschine
beschafft und losgelegt mit seiner Idee …« Die Biesenschultern ihrer Dienstmädchenuniform sinken herab. »Er will ein Buch schreiben, hat er gesagt.«
»Was für eine Idee?«, frage ich. »Ich meine, falls Sie’s mir erzählen möchten …«
Aibileen sagt eine Weile nichts. Pellt nur immer weiter Tomaten. »Er hatte so ein Buch gelesen, Der unsichtbare Mann. Wie er damit fertig war, hat er gesagt, er will drüber schreiben, wie’s ist, ein Farbiger zu sein, der in Mississippi für einen weißen Boss arbeitet.«
Ich schaue weg. Ich weiß, das ist der Punkt, an dem meine Mutter das Thema beenden würde. An dem sie lächeln und das Gespräch auf den Preis von Silberputzmittel oder weißem Reis lenken würde.
»Ich hab Der unsichtbare Mann auch gelesen, wie er dann tot war«, sagt Aibileen. »Hat mir ziemlich gefallen.«
Ich nicke, obwohl ich es nie gelesen habe. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass Aibileen ein lesender Mensch sein könnte.
»Er hat schon fast fünfzig Seiten geschrieben gehabt«, sagt sie. »Ich hab sie seiner Frances gegeben.«
Aibileen hält mit dem Messer inne. Ich sehe an ihrer Kehle, wie sie schluckt. »Bitte erzählen Sie das keinem«, sagt sie, jetzt leiser, »dass er über seinen weißen Boss hat schreiben wollen.« Sie beißt sich auf die Unterlippe, und mir geht auf, dass sie immer noch Angst um ihn hat. Obwohl er tot ist, ist die instinktive Angst um ihren Sohn immer noch da.
»Es ist okay, dass Sie’s mir erzählt haben, Aibileen. Ich finde, es war … eine mutige Idee.«
Aibileen sieht mich einen Moment an. Dann nimmt sie eine neue Tomate und setzt das Messer an. Ich schaue hin, warte, dass der rote Saft herausquillt. Aber Aibileen hält wieder inne, schaut zur Küchentür.
»Ich find’s nicht fair, dass Sie nicht wissen, was mit
Constantine war. Aber … tut mir leid, es fühlt sich nicht richtig an, mit Ihnen da drüber zu reden.«
Ich sage nichts, weil ich nicht weiß, was da gerade in ihr vorgeht, und auf keinen Fall alles kaputtmachen will.
»Aber ich sag Ihnen trotzdem, es hat was mit ihrer Tochter zu tun gehabt. Damit, dass die bei Ihrer Mama aufgekreuzt ist.«
»Tochter? Constantine hat mir nie etwas von einer Tochter erzählt. Ich kannte sie dreiundzwanzig Jahre. Warum hätte sie mir das verschweigen sollen?«
»Es war schwer für sie. Die Kleine war so … blass.«
Ich stutze, muss an das denken, was mir Constantine vor Jahren erzählt hat. »Sie meinen hellhäutig? Beinah … weiß?«
Aibileen nickt, macht weiter mit den Tomaten. »Sie hat sie fortschicken müssen, rauf in den Norden, glaub ich.«
»Constantines Vater war weiß«, sage ich. »Oh … Aibileen … Sie glauben doch nicht …« Ein hässlicher Gedanke schießt mir durch den Kopf. Ich bin zu schockiert, um meinen Satz zu Ende zu bringen.
Aibileen schüttelt den Kopf. »Nein, nein, Ma’am. Nicht … das. Constantines Freund, Connor, der war farbig. Aber weil Constantine ja das Blut von ihrem Daddy in sich drin hat, war ihr Baby ganz hell. Das … kann’s geben.«
Ich schäme mich dafür, dass ich gleich das Schlimmste gedacht habe. Aber ich verstehe immer noch nichts. »Warum hat mir Constantine nichts davon erzählt?«, frage ich, ohne mit einer Antwort zu rechnen. »Wie konnte sie sie wegschicken?«
Aibileen nickt vor sich hin, als ob das für sie das Klarste auf der Welt wäre. Aber mir ist es nicht klar. »Da war sie ja auch so elend, wie ich sie sonst nie gesehn hab. Bestimmt tausendmal hat sie gesagt, sie kann den Tag nicht erwarten, an dem sie sie wiederkriegt.«
»Sie sagten, es hatte mit dieser Tochter zu tun, dass Constantine gefeuert wurde? Was ist passiert?«
Aibileens Gesicht wird ausdruckslos. Der Vorhang hat sich
wieder geschlossen. Sie deutet mit dem Kinn auf die Miss-Myrna-Briefe, gibt mir deutlich zu verstehen, dass das alles ist, worüber sie zu reden bereit ist. Zumindest im Moment.
Später am Nachmittag schaue ich auf Hillys
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