Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
festnehmen, weil das so läuft. Man würde uns des Verstoßes gegen die Segregationsgesetze bezichtigen, das lese ich ständig in der Zeitung. Sie verachten Weiße, die sich mit Farbigen treffen, um die Bürgerrechtsbewegung zu unterstützen. Das hier hat zwar nichts mit Rassenintegration zu tun, aber warum sonst sollten wir uns treffen? Ich habe nicht mal Miss-Myrna-Briefe als Tarnung dabei.
Ich sehe offene Angst auf Aibileens Gesicht. Langsam verschwinden die Stimmen die Straße hinunter. Ich atme aus, aber Aibileen ist immer noch angespannt. Ihr Blick ist weiter auf die Vorhänge geheftet.
Ich schaue auf meine Fragenliste, auf der Suche nach irgendetwas, das ihr hilft, ihre Nervosität loszuwerden. Das mir hilft, meine loszuwerden. Ich muss ständig daran denken, wie viel Zeit ich schon verloren habe.
»Und was … sagten Sie, gefällt Ihnen nicht an Ihrem Job?«
Aibileen schluckt.
»Ich meine, möchten Sie etwas über die Toilettensache
sagen? Oder über Eliz… Miss Leefolt? Darüber, was sie Ihnen bezahlt? Hat sie Sie je vor Mae Mobley angeschrien?«
Aibileen nimmt eine Papierserviette und tupft sich damit die Stirn ab. Sie setzt an, etwas zu sagen, macht den Mund aber wieder zu.
»Wir haben doch schon oft geredet, Aibileen …«
Sie schlägt sich die Hand vor den Mund. »’tschuldigung, ich . . .« Sie steht auf und geht schnell den schmalen Flur hinunter. Eine Tür fliegt so heftig zu, dass die Teekanne und die Tassen auf dem Tablett klappern.
Fünf Minuten vergehen. Als sie wiederkommt, hält sie sich ein Handtuch vor die Brust, wie ich es von Mutter kenne, wenn sie sich übergeben musste und es nicht mehr bis zur Toilette geschafft hatte.
»Tut mir leid. Ich hab gedacht, ich wär … bereit zum Reden.«
Ich nicke, weiß nicht recht, was tun.
»Ich . . . ich weiß, Sie haben dieser Lady in New York schon gesagt, dass ich’s mach, aber . . .« Sie schließt die Augen. »Tut mir leid. Ich glaub, ich kann’s nicht. Ich muss mich hinlegen. «
»Morgen Abend. Ich . . . überlege mir eine bessere Vorgehensweise. Wir versuchen es einfach noch mal und …«
Sie schüttelt den Kopf, drückt das Handtuch an sich.
Auf der Rückfahrt könnte ich mich ohrfeigen. Weil ich mir eingebildet habe, einfach hineinmarschieren und Antworten verlangen zu können. Weil ich dachte, sie würde sich nicht mehr als Dienstmädchen fühlen, nur weil wir bei ihr zu Hause waren, weil sie keine Uniform trug.
Ich schaue auf mein Notizbuch, das auf dem weißen Ledersitz liegt. Außer den Angaben zu ihrer Herkunft und Kindheit habe ich ganze zwölf Wörter. Und vier davon sind Ja, Ma’am und Nein, Ma’am.
Patsy Clines Stimme kommt über den Radiosender WJDX. Während ich die Landstraße entlangfahre, spielen sie »Walking After Midnight«. Als ich in Hillys Zufahrt einbiege, läuft gerade »Three Cigarettes in an Ashtray«. Ihr Flugzeug ist heute Morgen abgestürzt, und von New York bis Mississippi und Seattle trauert alles und singt ihre Songs. Ich parke den Cadillac und starre auf Hillys weitläufiges weißes Haus. Vier Tage ist es jetzt her, dass Aibileen sich mitten in unserem Interview übergeben musste, und seither habe ich nichts von ihr gehört.
Ich gehe hinein. Der Bridgetisch ist in Hillys Antebellum-Wohnzimmer mit der ohrenbetäubenden Pendeluhr und —den goldenen Schabrackenvorhängen aufgestellt. Alle sitzen schon – Hilly, Elizabeth und Lou Anne Templeton, die Missus Walters ersetzt. Lou Anne ist eine von den Frauen, die grundsätzlich ein eifriges Lächeln zur Schau tragen — immer und pausenlos. Ich möchte sie am liebsten mit einer Stecknadel pieken. Wenn man nicht hinguckt, starrt sie einen mit diesem leeren, blitzenden Lächeln an. Und sie stimmt Hilly in jeder Kleinigkeit zu.
Hilly hält ein Life -Heft hoch, zeigt auf eine Doppelseite mit einem Haus in Kalifornien. »Wohnlandschaft nennen sie das, als ob dort Affen auf Felsen hausen würden.«
»Wirklich grässlich!«, sagt Lou Anne strahlend.
Das Foto zeigt einen ganz mit Flokati ausgelegten Raum, niedrige, stromlinienförmige Sofas, eiförmige Sessel und Fernsehapparate, die wie fliegende Untertassen aussehen. In Hillys Wohnzimmer hängt das zweieinhalb Meter hohe Porträt eines Konföderiertengenerals an so prominenter Stelle, als wäre er ein Großvater und kein Verwandter x-ten Grades.
»Das ist jetzt modern. Genauso sieht Trudys Haus aus«, sagt Elizabeth. Ich war so mit dem Interview mit Aibileen beschäftigt, ich hab fast vergessen,
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