Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
unserem Haus gestanden, in meinen neuen Arbeitsschuhen. Den Schuhen, für die meine Mama so viel gezahlt hatte wie für einen Monat Strom. Ich glaub, da hab ich verstanden, was Schande ist und welche Farbe sie hat.
Schande ist nicht schwarz, wie Dreck, wie ich immer gedacht hatte. Schande hat die Farbe von einer neuen weißen Uniform, für die deine Mutter die Nächte durch hat bügeln müssen, weiß, ohne den kleinsten Fleck von Arbeitsdreck drauf.«
Aibileen schaut mich an, um festzustellen, was ich davon halte. Ich höre auf zu tippen. Ich hatte süßliche, glatte Geschichten erwartet. Mir wird klar, dass ich mich ganz schön verschätzt habe. Sie liest weiter.
»… also geh ich hin und räum den Kommodenschrank auf, und eh ich mich’s verseh, hat der kleine weiße Bub in den Fensterventilator gelangt, von dem ich ihr zehnmal gesagt hab, sie muss ihn ausbauen lassen, und hat sich die Finger glatt abgesäbelt. Noch nie hab ich so viel Blut aus jemand rauskommen sehen, und ich schnapp mir den Buben, schnapp mir die vier Finger. Trag den Kleinen zum Farbigenkrankenhaus, weil ich nicht weiß, wo das Weißenkrankenhaus ist. Aber wie ich dort ankomm, hält mich ein Farbiger an und sagt: Ist der Bub da weiß?«. Die Schreibmaschinentasten klackern wie Hagel auf einem Dach. Aibileen liest jetzt schneller, und ich ignoriere meine Tippfehler, unterbreche sie nur, um ein neues Blatt einzuspannen. Alle acht Sekunden katapultiere ich den Wagen zurück.
»Und ich sag: Ja, Sir, und er sagt: Sind das da seine weißen Finger? Und ich sag: Ja, Sir, und er sagt: Ich rat Ihnen, sagen Sie, es ist Ihrer, und er ist nur sehr hell. Der farbige Arzt hier operiert garantiert keinen weißen Buben in einem Negerkrankenhaus. Und dann packt mich ein weißer Polizist am Arm und sagt: He, Sie . . .«
Sie verstummt. Schaut auf. Das Klackern bricht ab.
»Was? Der Polizist sagt: He, Sie, was?«
»Weiter hab ich nicht geschrieben. Hab auf den Bus zur Arbeit gemusst.«
Ich drücke die Rücktaste und die Maschine macht kling. Aibileen und ich schauen uns an. Ich denke, so könnte es tatsächlich etwas werden.
KAPITEL 12
Die nächsten zwei Wochen erkläre ich Mutter jeden zweiten Abend, ich ginge in die presbyterianische Kirche in der Canton, wo wir zum Glück niemanden kennen, um bei der Armenspeisung zu helfen. Natürlich hätte sie es lieber, ich betätigte mich in der First Presbyterian, aber Mutter würde niemals rechten, wenn es um Werke der christlichen Nächstenliebe geht, also nickt sie billigend und ermahnt mich nur, mir hinterher unbedingt die Hände gründlich mit Seife zu waschen.
Stunde um Stunde sitzen wir in Aibileens Küche. Sie liest vor, was sie geschrieben hat, und ich tippe. Die Einzelheiten verdichten sich, die Gesichter der Babys nehmen immer deutlichere Züge an. Zuerst bin ich enttäuscht, dass Aibileen im Grund alles selbst schreibt und ich nur redigiere. Aber wenn es Missus Stein gefällt, werde ich ja die Geschichten der anderen Dienstmädchen schreiben und damit mehr als genug zu tun haben. Wenn es ihr gefällt . . . Das höre ich mich im Kopf immer wieder sagen, als könnte ich es dadurch herbeizwingen.
Was Aibileen schreibt, ist klar und aufrichtig. Ich sage es ihr.
»Na ja, gucken Sie doch, wem ich sonst immer schreib.« Sie lacht. »Gott kann man nicht anlügen.«
Bevor ich auf der Welt war, hat sie einmal eine Woche auf Longleaf Baumwolle gepflückt. Bei einer unserer Arbeitssitzungen entschlüpft ihr eine Bemerkung über Constantine, ohne dass ich sie danach gefragt habe.
»Herr im Himmel, die konnt singen, die Constantine. Wie wenn ein reinrassiger Engel vorn in der Kirche steht. Ging allen durch und durch, die seidige Stimme von der Frau, und wie sie dann nimmer singen wollt, nachdem sie ihr Baby ins …« Sie verstummt jäh. Schaut mich an.
Sie sagt: »Egal.«
Ich ermahne mich, sie nicht zu drängen. Ich möchte so gern alles aus ihr herausbekommen, was sie über Constantine weiß, aber ich werde warten, bis wir mit ihrer Geschichte fertig sind. Im Moment will ich auf keinen Fall, dass irgendetwas zwischen uns steht.
»Schon was von Minny gehört?«, frage ich. »Wenn es Missus Stein gefällt«, intoniere ich die vertraute Beschwörungsformel, »will ich das nächste Interview schon in die Wege geleitet haben.«
Aibileen schüttelt den Kopf. »Ich hab Minny dreimal gefragt, und sie sagt immer noch, sie will nicht. Ich sollt’s ihr wohl langsam glauben.«
Ich versuche mir meine Beunruhigung
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