Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
der Tüte — der Hosenrock, die Bluse mit dem Peter-Pan-Kragen, die rosa Jacke mit dem Soßenfleck, sogar die Socken — hat die eingenähten Buchstaben H. W. H. Hübsche, rote Schreibschriftbuchstaben. Ich nehm an, Yule May hat sie einnähen müssen. Wenn ich die Sachen tragen würd, käm ich mir vor wie ein persönliches Besitzstück von Hilly W. Holbrook.
Ich steh auf und tret gegen die Tüte, aber der Kakerlak kommt nicht drunter vor. Also nehm ich mein Schreibheft raus und will mit meinen Gebeten anfangen, aber mir geht immerzu Miss Hilly im Kopf rum. Was hat sie gemeint, wie sie gesagt hat: Ich habe es gelesen?
Nach einer Weile sind meine Gedanken dahin gewandert, wo ich sie gar nicht haben will. Ich glaub, ich weiß ziemlich genau, was passieren würd, wenn die weißen Ladys rausfinden würden, dass wir über sie schreiben, dass wir sagen, wie sie wirklich sind. Frauen sind anders wie Männer. Eine Frau drischt nicht mit einem Prügel auf dich ein. Miss Hilly würd nicht mit einer Pistole auf mich schießen. Miss Leefolt würd nicht kommen und mein Haus anzünden.
Nein, weiße Frauen machen sich nicht die Hände dreckig. Sie haben einen Satz hübsches, feines Werkzeug, spitz und scharf wie Hexenkrallen und so ordentlich aufgereiht wie die silbernen Dinger vom Zahnarzt. Die benutzen sie und lassen sich Zeit dabei.
Das Erste, was eine weiße Lady mit dir macht: Sie feuert
dich. Das ist schlimm, aber du sagst dir, du findst schon einen neuen Job, wenn die Sache erst mal verraucht ist, wenn die weiße Lady vergisst. Du hast ja gespartes Geld für eine Miete. Die Leute bringen dir Kürbisauflauf rum.
Aber dann, eine Woche, nachdem du gefeuert worden bist, steckt da so ein kleiner gelber Briefumschlag in deiner Fliegentür. Auf dem Blatt steht RÄUMUNGSBEFEHL. Alle Hausvermieter in Jackson sind weiß, und alle sind mit weißen Frauen verheiratet, und die haben weiße Freundinnen. Da kriegst du dann doch Panik. Du hast immer noch keinen Job in Aussicht. Wo du’s auch versuchst, knallt dir die Tür vor der Nase zu. Und jetzt hast du auch keine Wohnung mehr.
Dann geht’s immer schneller.
Wenn dein Auto noch nicht abbezahlt ist, nehmen sie’s dir wieder weg.
Wenn du einen Strafzettel nicht bezahlt hast, kommst du ins Gefängnis.
Wenn du eine Tochter hast, ziehst du vielleicht zu ihr. Sie arbeitet selbst bei einer weißen Familie. Aber paar Tage später kommt sie heim und sagt: »Mama? Grad haben sie mich gefeuert. « Sie guckt gekränkt und geschockt. Sie versteht nicht warum. Du musst ihr erklären, dass es wegen dir ist.
Wenigstens hat ihr Mann Arbeit. Wenigstens können sie dem Kleinen zu essen geben.
Dann feuern sie ihren Mann. Noch so ein kleines, scharfes Werkzeug, fein und glänzend.
Sie zeigen beide mit dem Finger auf dich, weinen, wollen wissen, warum du’s getan hast. Du weißt selbst nicht mehr warum. Wochen vergehen, nichts, kein Job, kein Geld, kein Haus. Du hoffst, dass es das war, dass sie genug hat, dass sie jetzt endlich vergisst.
Dann klopft’s irgendwann an deiner Tür, mitten in der Nacht. Es ist nicht die weiße Lady. So was macht sie nicht selbst. Aber wie der Alptraum anfängt, die Streichhölzer, die
Messer, die Knüppel loslegen, wird dir klar, was du immer schon gewusst hast: Die weiße Lady vergisst nie.
Und sie wird nicht aufhören, eh du tot bist.
Am nächsten Morgen hält Miss Skeeters Cadillac in Miss Leefolts Einfahrt. Ich hab die Hände voll mit rohem Huhn und eine Gasflamme an, und Mae Mobley quengelt, weil sie am Verhungern ist, aber ich halt’s keinen Moment länger aus. Ich geh ins Esszimmer, die dreckigen Hände in der Luft.
Miss Skeeter fragt grad Miss Leefolt nach den Frauen in einem Komitee, und Miss Leefolt sagt: »Die Leitung des Cupcake-Komitees hat Eileen«, und Miss Skeeter sagt: »Aber die Vorsitzende des Cupcake-Komitees ist doch Roxanne«, und Miss Leefolt sagt: »Nein, Roxanne ist die stellvertretende Vorsitzende des Cupcake-Komitees, und die Vorsitzende ist Eileen«, und dieses ganze Cupcake-Geschwätz macht mich so verrückt, dass ich Miss Skeeter am liebsten mit meinem huhnverschmierten Zeigefinger stupfen würd, aber ich weiß, sie unterbrechen wär das Letzte, was ich tun sollt, also tu ich’s nicht. Über die Büchertasche fällt kein Wort.
Eh ich’s mich verseh, ist Miss Skeeter zur Tür raus.
Heiliger.
An dem Abend, nach dem Essen, starren wir uns quer durch die Küche an, der Kakerlak und ich. Er ist groß, drei Zentimeter
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