Gute Leute: Roman (German Edition)
Partei beigetreten?«, fragte ihn von Thadden unvermittelt.
»Mein Vater ist Mitte der zwanziger Jahre Parteigenosse geworden«, antwortete Thomas, während er sich bemühte, seiner Erinnerung an Eberhard von Thadden, den Cousin des Herrn Raul von Thadden auf die Beine zu helfen. »Mein Vater war aktiv in der Berliner Ortsgruppe. In jenen Jahren war ich mit meinem Studium und anschließend mit meiner Arbeit beschäftigt. Doch bei den Wahlen 1929 habe ich aus Achtung für meinen Vater für die NSDAP gestimmt und 1936 mein Parteibuch erhalten.«
Ein kleines, gehässiges Lächeln kroch über Wellers Gesicht. Sie hatten diese Darstellung schließlich gemeinsam verfasst, als sie über der Niederschrift des Modells gesessen hatten. Obgleich er ihn nie gefragt hatte, glaubte er nicht, dass Thomas seine Stimme tatsächlich der Partei gegeben hatte.
Der Geräuschpegel ringsum schwoll an, das monotone Surren der Beleuchtungsmasten, das Zischen des gegrillten Fleisches. Er hatte bereits mehr als genug von seiner Zeit geopfert. »Und jetzt, meine Herren, muss ich schleunigst ein paar Kleinigkeiten erledigen.«
Durch seine Brillengläser taxierte ihn Wellers stechender Blick, bis ihm schien, als hätte Weller eine Schwäche an ihm ausgemacht. Er erwiderte mit stolzem und warnendem Blick, doch Weller fuhr fort, sein Gesicht in aller Ruhe zu mustern.
Er hat von dem Treffen mit Kresling gehört, begriff Thomas plötzlich.
»Dein Freund Kresling ist auch hier«, meine Weller jetzt kühl, drehte sich um, nahm von Thaddens Arm, und schon waren beide von der Menge verschluckt. Hatte er dem Auswärtigen Amt bereits vermeldet, dass Thomas das Modell, auf das sie so stolz waren, einem anderen Akteur zuspielen wollte? Der Schreck fuhr Thomas in die Glieder. Doch sogleich beruhigte er sich: Er konnte noch immer alles abstreiten. Kresling würde Weller gewiss nicht zur Seite stehen, und selbst wenn, er hatte Kresling nicht ausdrücklich gesagt, dass er das Modell bei der »Haupttreuhandstelle Ost« ansiedeln wolle.
Das über ihm schwebende Unheil indes war wie ein Juckreiz am ganzen Körper: Schließlich lag das Schreiben mit dem Plan zur Überstellung des Modells ja bereits bei Kresling. Warum war er bloß ein solches Risiko eingegangen? Offenbar war die Intrige eine eigenständige Daseinsform, die in seinem Körper wohnte, dessen Handlungen lenkte und sich nicht immer beherrschen ließ. Am Ende würde er tatsächlich in den Abgrund springen. Oder befand er sich bereits im freien Fall?
Ein Pulk von Menschen riss ihn mit sich. In der Mitte des Hofes sah er die hölzerne Bühne, ein schwarzer Konzertflügel thronte darauf, daneben ein Lautsprecher. Wolfgang sprang mit einem Satz auf die Bühne, klopfte mit dem Finger gegen ein rechteckiges Mikrophon, worauf das Lärmen der Menge erstarb und er fröhlich rief: »Herrschaften, ich bitte um Ruhe.« Alsdann erwähnte er die Ehrengäste namentlich, verlas eine Grußbotschaft des Distriktgouverneurs und pries die Erfolge der Wehrmacht in Westeuropa, all das in jenem heiteren Tonfall, in dem man von einem harmlosen Streich erzählt.
»Der Nationalsozialistische Rechtswahrerbund war so gütig, uns seinen besten Liedsänger auszuleihen«, rief Wolfgang jetzt euphorisch. »Und ich habe nun die Ehre, Raul von Thadden auf die Bühne zu bitten. Zudem möchte ich Dr. Georg Weller vom Auswärtigen Amt für die musikalische Beratung danken. Am Klavier unser Kamerad Lang vom SD.«
Von Thadden erklomm geschmeidigen Schritts die Bühne, musterte sein Publikum und hängte das graue Jackett über einen der Stühle. Thomas verfolgte, wie Wolfgang von der Bühne stieg und seinen Arm um Wellers Schulter legte. Noch nie hatte er die beiden so zusammen gesehen, ja, in den Tagen, da sie um die Leitung der »Pariser Sause« gekämpft hatten, war sein Eindruck eher gewesen, sie verabscheuten einander. Jetzt trat ihm die Gefahr in aller Deutlichkeit vor Augen, in die er sich an diesem Morgen gebracht hatte.
Zu seiner Überraschung verspürte er auch Erleichterung: Sein sonderbares Unbehagen war endlich durch Tatsachen bestätigt, zumindest hatte er jetzt einen untrüglichen Beweis in der Hand, dass er nicht von paranoiden Wahnvorstellungen beherrscht wurde. Jetzt würde er in die Welt der Tat zurückfinden. Auch auf dieses Manöver von Weller und seinen Spießgesellen ließ sich ein Gegenstoß planen.
Aber schätzte er die Lage denn jetzt richtig ein? Immerhin war es Weller, der ihm die Falle gestellt hatte,
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