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Gute Leute: Roman (German Edition)

Gute Leute: Roman (German Edition)

Titel: Gute Leute: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nir Baram
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schätze Ihre Loyalität dem Auswärtigen Amt gegenüber. Aber es ist durchaus möglich, dass wir einmal über eine Veränderung Ihrer Stellung nachdenken sollten. Sie werden sich dem nicht um jeden Preis verweigern, hoffe ich?«
    »Ich werde mein Bestes für Deutschland geben«, Thomas nahm Haltung an. Jetzt verstand er, was Wolfgang gemeint hatte, als er Kreslings Komplimente erwähnte: Je ironischer sie gerieten, desto herzlicher waren sie wohl gemeint.
    ***
    Niemand wusste, wo Hermann sich aufhielt, aber Thomas spürte seinen heißen Atem näherkommen: Ein Gefühl, als würde er beobachtet, als lauerte jemand auf einen Fehler seinerseits.
    Er hatte sich damit abgefunden, dass Hermann zumindest für den Moment im Vorteil war. Doch zu der bekannten Furcht gesellte sich jetzt ein Unheil verheißendes Raunen, das ihm ins Ohr flüsterte, der Plan, das Modell zu transferieren, könnte sich am Ende als Falle herausstellen. Aber nicht Hermann oder Kresling oder irgendjemand sonst stellte ihm eine Falle, sondern eine weitaus stärkere Macht – die Ironie der Geschichte oder das Schicksal. In seiner Vorstellung überschlugen sich schreckliche Visionen – eine danteske Anhäufung von Tod, Gewalt und Katastrophen. Und dennoch verging ein Tag nach dem anderen, und es ließ sich nicht leugnen: Immer wenn er die Übergabe des Modells an Kresling vorantreiben wollte, wurde er von einer geheimnisvollen Macht daran gehindert und in eine andere Richtung gestoßen.
    Inzwischen war man in ihrem Quartier bereits mit den Vorbereitungen für die Feierlichkeiten anlässlich der Besetzung von Paris beschäftigt. Die polnischen Arbeiter schrubbten den Hof, bauten eine breite Holzempore und begannen mit der Errichtung eines riesigen Zeltes. Tagein, tagaus hielten Lastwagen vor dem Tor und luden Lautsprecher, Balken, Beleuchtungsmasten, Stühle und Tische ab. Wolfgang, der in geheimer Abstimmung (wobei er Weller mit Leichtigkeit ausgestochen hatte) zum Leiter der Festivitäten gewählt worden war, gab bekannt, das künstlerische Programm werde exzeptionell. Erst danach gestand er Thomas mit reumütigem Lachen, er sei wegen seiner Aufschneiderei mal wieder in Nöten. Er habe keine Ahnung, wie er das geniale Programm auf die Bühne bringen solle.
    In diesen Tagen erwachte Thomas mit dem Gefühl einer quälenden Last: Viel zu lange hatte er – obgleich Kresling ihn auf die Probe gestellt hatte und die Zeit drängte – nichts mehr unternommen, seinen Plan voranzutreiben. Da er jedoch in seiner tiefsten Seele davon überzeugt war, seine Handlungen seien von einer seltenen Erfindungsgabe inspiriert, von einem tiefen Verständnis für die Beweggründe anderer und das um ihn herum wirksame Kräfteverhältnis, betrachtete er die Kapitulation vor irgendeiner abstrakten Furcht als einen Verrat an dem wahren Thomas Heiselberg.
    Eines Morgens eilte er in sein Büro, schwor sich, die Tollkühnheit zu nutzen, die er in sich spürte, verscheuchte alle Plagegeister, schloss sich in seinem Zimmer ein und setzte ein Schreiben auf, das alle Erfolge des Modells in der Vergangenheit aufzählte und forderte, dieses hervorragende Instrument schnellstmöglich dem Auswärtigen Amt aus der Hand zu nehmen: Das Auswärtige Amt favorisiere jetzt den Madagaskar-Plan, mische sich in Angelegenheiten, für die es nicht zuständig sei, bringe Heydrich und die SS gegen sich auf, ja überhaupt jeden, der etwas von den polnischen Interna verstehe. Eine Übernahme des Modells würde sowohl dem Reichsmarschall, der »Haupttreuhandstelle Ost« wie auch der Glaubwürdigkeit des Modells selbst zugute kommen, da es nicht länger mit Franz Rademachers tölpelhaftem Plan und dem Auswärtigen Amt insgesamt in Verbindung gebracht werden dürfe. Gegen Mittag begab Thomas sich zu Kresling und legte ihm das Schreiben auf den Tisch. Als er in sein Büro zurückgekehrt war, klopfte sein Herz wild, und die Stimmen in seinem Inneren kündeten gellend von einer nahenden Katastrophe. Und dennoch: Diesmal hatte er einfach nicht anders handeln können.
    Er war zu angespannt, um sich auf seine Arbeit zu konzentrieren – wieder und wieder trat ihm Kreslings Gestalt vor Augen, der neben Dürers Stich saß und sein Memorandum las –, weshalb er alle Treffen für den Nachmittag absagte, die Tür seines Zimmers abschloss und an Klarissa schrieb:
    »Geliebte, ich erwarte kolossale Veränderungen in bezug auf meine Stellung, über die ich dir jetzt selbstverständlich noch nichts Näheres

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