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Gute Leute: Roman (German Edition)

Gute Leute: Roman (German Edition)

Titel: Gute Leute: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nir Baram
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Hermann und beließ es dabei.
    »Bitte«, Thomas wies mit der Hand zum Salon.
    »Leider bin ich gezwungen, die gastfreundliche Einladung abzulehnen«, sagte Hermann, »ich muss zurück nach Krakau. Und hinsichtlich dieses Burschen aus dem amerikanischen Unternehmen, nach dem du in letzter Zeit sicherlich gesucht hast …«
    »Ich suche niemanden.«
    »Er sucht niemanden«, echote Hermann süffisant. »Und dieser Buschikowsky, dein polnischer Niederlassungsleiter? Nun gut, er ist schon seit Mai nicht mehr am Leben, ist zusammen mit einer großen Gruppe liquidiert worden.«
    »Ich verstehe«, sagte Thomas. »Wir waren ohnehin zu dem Schluss gekommen, er sei nicht von besonderem Wert.«
    »Ein Sonderplan, um Ordnung zu schaffen: Krügers und Streckenbachs Männer haben mit gut viertausend polnischen Intelligenzlern einen kleinen Ausflug in die Wälder um Warschau gemacht.«
    »Davon habe ich nichts gehört«, erwiderte Thomas. Die blutigen Stiefel fielen ihm ein, die in seiner Vorstellung bis zum Himmel aufragten, wie Wolkenkratzer, und er, ein winziges Stecknadelmännchen, hüpfte zwischen ihnen umher. Er schluckte, fest entschlossen, Hermann gegenüber auch nicht die kleinste Schwäche zu zeigen. »Du weißt sicherlich, dass ich hier in erster Linie mit Beratungstätigkeiten für die Organe des Reichs befasst bin.«
    »Er stand auf der Liste der Intelligenz, wusstest du das nicht?«, fragte Hermann, als hätte er ihn nicht gehört. »Sein Vater war Archäologe, auch sein Onkel. Vielleicht wird es dich freuen zu hören, dass ihnen ihre Fertigkeit beim Graben wirklich zupass kam und sie, im Unterschied zu ihren Kollegen, ausgestreckt begraben liegen.«
    »Kein Zweifel, am deutschen Wesen wird die Welt genesen.«
    »Ich verstehe, du wusstest nicht, dass die Archäologie ein Steckenpferd in seiner Familie war«, rief Hermann freudig. »Ich habe in deinem Modell über die große Gefahr gelesen, die die polnischen Archäologen darstellen. Recht überzeugend, muss ich sagen.«
    »Danke sehr, ich weiß es zu schätzen, dass du dir die Zeit genommen hast, das zu lesen«, er versah seine Stimme mit einem Hauch Unbeschwertheit. Das Wissen um Bischas Tod war bereits wie eine Erinnerung, als hätte er schon vor langer Zeit davon erfahren, ein weiterer Todesfall, der einen seiner Bekannten ereilt hatte.
    Er erinnerte sich an etwas, was sein Vater ihm in seiner Jugend erzählt hatte, von einer Erleuchtung, die ihm einst auf dem Schlachtfeld gekommen war: Es gibt nichts, was du gelernt hast, nichts, woran du glaubst, keine Eigenschaft, die du geerbt oder erworben hast – rein gar nichts, was du nicht auf einen Schlag aufgibst, um zu überleben. Später wirst du meinen, du hättest all das nur geträumt.
    Und tatsächlich, Thomas hatte jetzt das Gefühl, als schwebte er hoch oben über den bekannten Mechanismen der Seele. Wäre er gezwungen gewesen, die Fäuste zu schwingen und auf Leben oder Tod mit Hermann zu kämpfen, er hätte es getan.
    »Nun gut, ich habe vielleicht nicht jedes Wort gelesen«, lachte Hermann. »Mitunter war es mir doch zu langweilig und nebulös, ein bisschen wie dieses Buch von Rosenberg. Der wahre Mythos des 20. Jahrhunderts ist doch, dass so etwas überhaupt gelesen wird.«
    »Lesen ist eine Beschäftigung, die Disziplin verlangt; während der Arbeit an dem Modell habe ich Rosenbergs Buch gelesen und großen Genuss daraus gezogen.«
    »Ja, sicher hast du es gelesen«, sagte Hermann. »So wie die Bücher in der Schule, die du alle gelesen hast, oder sollte ich derjenige gewesen sein, der sie gelesen hat?«
    »Vielleicht mal ein Buch, dessen Trivialität deiner Seelenwelt entsprach«, erwiderte Thomas. »Wenn du hergekommen bist, um Erinnerungen an vergangene Tage aufleben zu lassen, davon habe ich mehr als genug.«
    Hermann beugte sich zu ihm vor: »Wie ich höre, hast du dir auch hier Feinde gemacht.«
    »Kein Erfolg ohne Feinde«, gab Thomas zurück.
    »Wie traurig, dass du dir keinen Rat mehr bei dieser jüdischen Therapeutin holen kannst, ich habe gehört, sie ist im Arbeitslager Ravensbrück.«
    »Ich habe ohnehin nie mit ihr über Dinge gesprochen, die meine Arbeit betrafen.«
    »Vielleicht sollte sich ein patenter Mann wie du einmal fragen, warum anständige Leute wie mein alter Freund Kresling oder dein Partner Georg Weller zu deinen Feinden geworden sind?«, schlug Hermann mit gespielter Jovialität vor.
    »Ich nehme an, was Kresling betrifft, habe ich das dir zu verdanken.«
    »Es versteht

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