Gute Leute: Roman (German Edition)
Namen der Offiziere?«
»Es ist meine Arbeit, mich zu erinnern.«
»Sehr schön, es ist an der Zeit, einige Panikmacher zu erschießen, damit dieses Geraune ein für alle Mal aufhört. In unserer Oblast wird es kein Erbarmen mit Saboteuren geben.«
»Nikita Michailowitsch, ich empfinde mit niemandem Erbarmen. Auch mich empört solches Gerede. Am Ende wird es noch der Parade schaden. Vor allem habe ich mich geschämt, Offiziere zu sehen, die ihre persönlichen Sorgen in den Vordergrund stellen. Ein paar Erschießungen könnten wirklich nicht schaden.«
»Morgen werde ich Befehl geben, sich diese Kriegstreiber vorzunehmen!«
»Ein unumgänglicher Befehl«, ermutigte sie ihn. »Das Gerede über einen Krieg muss aufhören.«
Eine wohlige Erleichterung erfasste sie: Maxims Idee, sie aus Brest herauszuholen, würde ein Wunschtraum bleiben. Es bestand nicht die leiseste Aussicht, dass Nikita Michailowitsch ihrer Versetzung aus Brest zustimmen würde.
Einige Zeit saßen sie schweigend da, bis sie Nikita Michailowitsch daran erinnerte, dass sie aus Moskau noch immer nicht die von ihr gleich nach dem Treffen angeforderten Informationen über den deutschen Vertreter in der Planungskommission der Parade erhalten hatte.
»Gut, das ist nichts von höchster Priorität«, erwiderte er gedehnt. »Es gibt dringendere Angelegenheiten.«
»Ich verstehe, aber das Material, das ich erhalten habe, ist unzureichend und – nach meiner Einschätzung – zum Teil auch fehlerhaft: Die amerikanische Firma, für die er jahrelang gearbeitet hat, wird nur mit einem Satz erwähnt. Und mehr noch, am Ende unseres Treffens erzählt mir der Deutsche plötzlich, sein Vater habe in einer Flugzeugfabrik gearbeitet, die die Firma ›Junkers‹ Anfang der zwanziger Jahre in der Nähe von Moskau errichtet hatte, und dann schaut er zum Himmel und ruft fröhlich: ›Die Flugzeuge der Roten Armee, die Sie da sehen – einige davon hat mein Vater gebaut …‹ Die Tatsache, dass sein Vater hier Kampfflugzeuge montiert hat, wird in dem Bericht, der mir übermittelt wurde, nicht mit einer Silbe erwähnt!«
»Alexandra Andrejewna«, lachte Nikita Michailowitsch, »wäre es nicht nett, wenn wir einfach nur dasäßen und wie zwei vielseitig interessierte Menschen miteinander plaudern könnten? Bei Ihnen gibt es am Ende immer einen praktischen Nutzen, irgendeine Bitte!«
Sie schwieg. Er hatte ihr Verhalten so exakt beim Namen genannt, dass jedes Leugnen zwecklos gewesen wäre. »Es tut mir leid«, erwiderte sie aufrichtig, »Dinge, die mit meiner Arbeit zusammenhängen, beschäftigen mich einfach zu sehr. Alles andere erscheint mir wie vertanene Zeit.«
»Gebildete Menschen müssen zuweilen ihre Zeit vertun, nur so kommen sie auf gute Ideen.«
»Glauben Sie schon nicht mehr an die sich verkürzenden Zeiteinheiten?«, neckte sie ihn.
»Für andere ja, Alexandra Andrejewna, nicht für uns«, erwiderte er und begann darüber zu reden, wie die Lehrer sich für die sich verkürzenden Zeiteinheiten begeistert hätten. Sogar in der Ukraine werde sein Programm schon umgesetzt. Dann kam er auf sein Lieblingsthema der letzten Zeit: Er lamentierte über den Zustand der Roten Armee und deren betrunkene Offiziere. Wenn Nikita Michailowitsch die Redewut überkam, gab es nichts, was ihn hätte stoppen können, und jede Einmischung war zwecklos, da er es liebte, sogar seine eigenen Fragen selbst zu beantworten. Man nickte einfach und dachte an andere Dinge. Seine Worte erinnerten sie sehr an die Klagen, die sie von Maxim bei seinem letzten Besuch in Brest gehört hatte. Maxim hatte viel Zeit damit verbracht, sich mit den Militärs zu treffen und sich über die Einschätzungen des Nachrichtendienstes zu informieren, er klagte über die neue Befestigungslinie, die zu nah an der Grenze gelegen sei – es gäbe keine strategische Tiefe, keine Pufferzonen, man errichtete Betonquader ohne jede Tarnung, die Deutschen auf der anderen Seite des Flusses könnten die feindlichen Schießscharten abmalen, im Falle eines Angriffs sei das ein Todesurteil …
Das Schweigen, das sich damals zwischen ihnen ausgebreitet hatte, war Beleg genug, dass sie beide sich vorstellten, wie die Oblast in Flammen aufginge. Sie sah schon die Asche am Himmel und eine Feuerwand, die sich mit rasender Geschwindigkeit auf die Stadt zuwälzte.
Doch dann hatte Maxim noch etwas hinzugesetzt, in der Art wie: Genug, Liebste, lass uns nicht mehr über solch bedrückende Themen sprechen, der kleine
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