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Gute Leute: Roman (German Edition)

Gute Leute: Roman (German Edition)

Titel: Gute Leute: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nir Baram
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das einzige, was du tun konntest.«
    Ein Mann und eine Frau stiegen aus dem ersten Wagen, blieben zu beiden Seiten stehen, rauchten und sprachen verhalten miteinander. Offenbar erkannte Podolski sie und entspannte sich.
    »Eure Nadjeschda Petrowna wäre ohnehin verhaftet worden, ihre Zeit in Leningrad war abgelaufen, wir haben es einfach nicht mehr geschafft, sie in Kenntnis zu setzen. Die Tatsache, dass ich derjenige war, der die Information in die Hände bekommen hat, ermöglichte mir, die erste Phase der Vernehmung zu leiten. Aber diese Frau weckt auch bei höheren Instanzen Interesse. Diese Gedichte, von denen du Abschriften für uns gemacht hast – zum Beispiel ›Ein schnauzbärtiger Beischlaf in der Kirche des Heiligen Koba‹ –, unsere Leute waren entsetzt darüber, aber auch ein bisschen amüsiert über ihren Mut, schließlich genügt allein diese dreiste Verunglimpfung Stalins, des Unbeugsamen, um drei verschiedene Gründe für ihre Erschießung zu liefern. Beim NKWD ist man sich deines Beitrags zu den Ermittlungen bewusst und weiß, dein Anliegen zu berücksichtigen.«
    »Und mein Vater?«
    »Er wird verhaftet werden, daran besteht kein Zweifel. Ich werde alles tun, damit er auch wieder freikommt.«
    »Kannst du seine Inhaftierung verhindern?«
    Er schaute sie an, als betrübte ihn ihre Weigerung zu begreifen, was sich von selbst verstand.
    »Nein.«
    Wie schrumpft ein Mensch in den Augen anderer auf eine Winzigkeit zusammen? Das geschieht ganz plötzlich. Sie schaute ihn an, in den letzten Jahren hatte er zugelegt, doch seine Größe war eher durchschnittlich. In ihrer Vorstellung war er immer ein Hüne gewesen.
    Das Geschäft, das sie eingefädelt hatte, war ihr perfekt erschienen: Die würden Nadjeschda bekommen, und sie selbst müsste ihre Eltern nicht verlieren. Wie hatte sie bloß der Illusion aufsitzen können, dass sie die eine Seite in einem Handel war? Jetzt wurde sie von ohnmächtigem Zorn erfüllt: Alle ihre Bemühungen waren umsonst gewesen. In ihrer Welt – einer Welt, die nur in den Phantastereien einfältiger Frauen existierte – nahm man sie dort wahr, beim NKWD, hatte ein offenes Ohr für ihre Wünsche. Aber dort war niemand. Wahrscheinlich sahen sie in ihr nicht mehr als ein Staubkörnchen, das für einen Moment durch die Luft gewirbelt wurde und im nächsten wieder zu Boden sank.
    »Und meine Mutter?« War es möglich, dass sie dieses Unglück über sie gebracht hatte?
    »Das hängt nicht von mir ab. Vielleicht. Ich hatte die Absicht, Nadjeschda Petrowna schnell ein Geständnis unterschreiben zu lassen und sie dann von hier wegzuschaffen, damit sie ihre Gedichte künftig den Eisbären vortragen kann. Aber der Leiter von Abteilung 2 hat sich in die Untersuchung eingemischt, und jetzt ist auch noch die Sache mit Bljumkin dazugekommen, das steht in dem Bericht. Vielleicht ist es ganz gut, weil es zu Verbindungen führt, die sie in der Vergangenheit zu konterrevolutionären Organisationen unterhalten hat, und die Hauptlast der Anschuldigungen von deinen Eltern nimmt.«
    Podolski räumte ein, die Angelegenheit nicht in der Hand zu haben. Doch schon bei ihrem ersten Treffen hatte er sie gewarnt, die Gedichte weiterzugeben sei zwar weniger gefährlich, als nichts zu tun. Dennoch sei es gefährlich.
    Alexandra zitterte. Sie schlafen noch alle, und der Schatten der Katastrophe liegt schon über ihrem Haus. Und darunter, in der winzigen Naht zwischen dieser Nacht und ihren Folgen, werden die letzten gemeinsamen Tage sich verfangen: ein paar Mal noch zusammen erwachen, die morgendliche Kälte im Salon, eine Tasse Tee und vielleicht Käsekuchen mit karamellisiertem Zucker darauf, dann eilen alle in die Schule oder zur Arbeit, später noch einige Abendessen, bei denen Vater anwesend ist – schließlich ist seine Nadja im Gefängnis –, vielleicht noch ein Kartenspiel oder ein paar Rätsel, die er für die Zwillinge schreibt.
    Wie schnell sind ihre Albträume Realität geworden.
    Bliebe noch eine letzte Frage. »Und die Zwillinge?«

Berlin, Winter 1938
    »Thomas, die Luft ist wie ein Odeur!«, rief Carlson Mailer und fuhr sich mit den Fingern durch sein zurückgekämmtes Haar, das vor lauter Brillantine an der Kopfhaut klebte. Zumeist schmückte er sich mit einer stattlichen Tolle, die im Büro als »amerikanisch« galt und wie ein Monolith über den schwarzen, stets von einer gewissen Melancholie beherrschten Augen aufragte. »Eine wundervolle Party, nicht wahr?«, meinte er und ließ

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