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Gute Leute: Roman (German Edition)

Gute Leute: Roman (German Edition)

Titel: Gute Leute: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nir Baram
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verliefen sachlich und würden demnächst abgeschlossen.«
    Blum nahm einen Schluck Wein und nickte. Der massige Mann mit dem wuchtigen Schädel trug heute einen grauen Studentenpullover. Carlson hatte einmal bemerkt, Blum kleide sich wie ein Kommunist.
    »Ich glaube, der Augenblick der Entscheidung ist nahe«, schloss Thomas. »Auch wir haben gestern mit Wohlthat gesprochen. Es versteht sich, dass er sich nochmals von der Aufgabe distanziert hat, die zu erfüllen er genötigt ist«, erwiderte Blum säuerlich.
    »Welchen Eindruck hat die Geschäftsleitung Ihrer Bank von dem neuen Angebot der Dresdner Bank?«, fragte Thomas – wenn Blum mit seinen Kontakten zu Wohlthat prahlen wollte, bitte. »Wir haben hart gearbeitet, um sie zu überzeugen, ihre Offerte noch einmal anzuheben.«
    »Die Angebote, die wir prüfen, sind sehr ähnlich beschaffen«, erwiderte Blum. »Ich habe unsere Kollegen von der Warburg Bank ihr vorzügliches Geldinstitut für einen Apfel und ein Ei verkaufen sehen. Wir sind kleiner und geben uns keinen Illusionen hin; nach Steuern und allen übrigen Kunststückchen der Regierung werden uns weniger als fünfzehn Prozent des realen Wertes bleiben.«
    Blum hätte eigentlich klar sein müssen, dass Thomas nicht der richtige Adressat für solche Klagen war. Er lebte noch immer in einer Welt, in der seine Bank auch die restlichen fünfundachtzig Prozent wert war. Es gab nun einmal Menschen, die schwebten zwischen dieser Welt und einer anderen, die es einmal gegeben hatte. Und dann schacherten sie mit der realen Welt im Namen einer Logik, die nur noch in ihrer Phantasie existierte.
    »Ja, das ist alles andere als befriedigend«, pflichtete Thomas ihm zähneknirschend bei. Wieder war es ausgerechnet an ihm, die Bitternisse des Zeitgeistes zu überbringen.
    »Es gibt Mitglieder im Direktorium, die dagegen sind, die Bank für diesen Preis zu verkaufen.« Blums rechte Schulter zuckte unkontrolliert, und er kniff mit den Fingern seiner linken Hand hinein. »Wenn Deutschland diese Bank so sehr will – dann soll es sie doch beschlagnahmen.«
    »Hören Sie, Blum«, sagte Thomas, dem es nicht gefiel, dass Blum das Wort Deutschland wie eine Verwünschung ausgestoßen hatte. »Um ehrlich zu sein, ist der Staat in großen Nöten. Und außerdem: Es gibt nicht das eine Deutschland. Das Unternehmen, für das ich arbeite, widersteht allem Druck, Deutschland zu verlassen. Die deutsche Wirtschaft entfernt sich zusehends von der Welt, und ich zumindest glaube, dass dies schlecht für uns alle ist.«
    Jetzt schaute er Erika Gelber an. Sie erwiderte seinen Blick mit zurückhaltendem Erstaunen. Blum nahm noch einen Schluck Wein und ließ ein düsteres Schnaufen hören.
    Das Klackern von Klarissas Absätzen unterbrach Thomas’ Redefluss. Auf dem Tisch thronte nun eine Platte mit Schnitzeln, die mit silbrigen Salzkörnern und Semmelbröseln bestreut waren. »Bitte sehr, die Herrschaften, Kalbsschnitzel, wie es sie nur in den feinsten Restaurants Deutschlands gibt …« Ihre klare Stimme erfüllte den Salon.
    »Fräulein Engelhardt entstammt dem Hamburger Bildungsbürgertum. Für meinen Geschmack sind dies die wundervollsten jungen Damen, die Deutschland zu bieten hat«, sagte Thomas gespreizt.
    »Mein Fräulein, das sieht ja herrlich aus«, rief Blum und wartete ungeduldig darauf, dass Klarissa das Stück Fleisch, in das sie die Tranchiergabel gestochen hatte, endlich auf seinen Teller legte. Blum liebte Schnitzel.
    Klarissa trippelte um den Tisch herum, kam zurück zu Blum und füllte sein Weinglas erneut. Thomas fragte sich, ob diese Darbietung nicht ein wenig übertrieben war. Wohl hatte sie ihn wissen lassen, dass sie alle übernommenen Aufgaben sorgfältig erfüllen wolle, und auch nachdem ihr mitgeteilt worden war, die Gäste des heutigen Abends seien Juden, hatte sie ihre Einwilligung nicht zurückgenommen, die Rolle der Köchin und Haushälterin zu spielen. Aber Thomas’ Gäste wussten, dass sie nicht seine Haushälterin war, so dass ihr aufgesetztes Benehmen leicht den Eindruck erwecken konnte, man mache sich über sie lustig.
    Blum hatte Erika Gelber während des gesamten Essens weder angeschaut, noch hatte er eine Frage oder ein freundliches Wort an sie gerichtet. Und Thomas, obgleich er bereits mit dem Wunsch kämpfte, diesem Abend ein Ende zu bereiten und endlich allein zu sein, drängte es zu Erika. Sie wirkte so verloren heute, mit ihrem zimtfarbenen Haar, das sie offen trug, und dem dezent geschminkten

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