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Gute Leute: Roman (German Edition)

Gute Leute: Roman (German Edition)

Titel: Gute Leute: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nir Baram
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brummte Carlson zerstreut. »Komm endlich mit ihnen zurande.«
    In diesen Tagen beschied Carlson alle, die sich an ihn wandten, mit ein und derselben Antwort: Entscheidet selbst. Thomas erfuhr von Carlsons Sekretärin, er sei in einem Brief an seine Frau über Fisk hergezogen und habe sich gerühmt, er mache keinen Finger krumm »für dieses dreckige Bamberburg-Geschäft«. Eine interessante Haltung, nur dass dieser Jammerlappen es niemals wagen würde, Entsprechendes offen gegenüber Fisk zu äußern und die Folgen zu tragen.
    Die Tage verrannen, und Thomas spürte, dass ihm die Ideen ausgingen. In Scharen wollten Juden Deutschland verlassen und suchten verzweifelt nach Staaten, die sie aufnehmen würden – an einem Tag redeten alle über die Schweiz, am nächsten über Shanghai. Bestimmungen wurden in immer rascherer Folge veröffentlicht, und über allem lag ein enervierendes Surren aus Geflüster und Arglist, Tratsch und Verleumdungen. Gerüchte machten die Runde, über Mittelsmänner, die Visa für Juden beschafften und sich im Gegenzug deren gesamten Besitz aneigneten, über Ärzte, Wissenschaftler und Nobelpreisträger, derer sich Deutschland ebenso rasch entledigte, wie man einen Fussel vom Ärmel zupfte, über ausländische Vertretungen, die schon bald ihre Visapolitik ändern würden.
    Thomas traf sich mit Erika Gelber und berichtete von seinen Bemühungen. »Ich habe das Gefühl, als wären alle meine Schritte schwerfällig und unbeholfen«, klagte er. Es kam ihm vor, als ob sein Körper bereits den Geruch der Niederlage verströmte. »Verstehen Sie, ich werde von Zweifeln befallen, unternehme Schritte und revidiere sie sogleich wieder, als wäre ich ein Fremder in Berlin. Auch Frau Günther hemmt mich; schon seit zehn Jahren versuche ich, diese Frau loszuwerden, und sie ist noch immer hier. Das eigentliche Problem jedoch ist, dass sich Tausende von Personen ausgerechnet mit dieser Judenfrage beschäftigen: amtliche Stellen, Privatfirmen, Geschäftemacher, Vermittler, Vertreter jüdischer Organisationen aus der ganzen Welt.«
    Beide seien sie gezwungen, sich direkt an Blum zu wenden, eröffnete er ihr, die Zeit dränge. Bereits in dieser Woche würde er ein gemeinsames Abendessen in seiner Wohnung ausrichten. »Blum schätzt Sie sehr, Erika, er behauptet, die Behandlung habe ihm geholfen, viele Dinge zu verstehen.«
    In der Vergangenheit hatte Thomas Heiselberg immer geglaubt, seine eigentlich beeindruckende Fähigkeit sei es, viele Handlungsfäden in der Hand zu halten und daraus einen schönen Teppich zu weben, dessen Muster allein er nachvollziehen konnte. Doch jetzt machte er sich Sorgen: Er musste einen Plan entwickeln, der nicht vollkommen war.
    ***
    Klarissa errötete. Zuviel Rouge, stellte Thomas enttäuscht fest. Dieser Backfisch, man schenkt ihr das teuerste Make-up in ganz Europa, und sie sieht immer noch aus, als hätte sie sich in einem Schminkzuber gewälzt. Sie war im Salon aufgetaucht, in dem himmelblauen Kleid, das sie von seinem Geld für diesen Abend gekauft hatte. Es war ein wenig zu eng, und ihre Schritte gerieten etwas wackelig.
    »Kann ich Ihnen helfen?« Erika Gelber war schon im Begriff aufzuspringen.
    »Danke, ich schaffe das schon«, lachte Klarissa.
    Sie goss Blum Wein ein. Er lehnte sich zurück und rutschte unbehaglich auf seinem Sessel hin und her. Thomas betrachtete Klarissas rundliches Gesicht, das von blonden Haaren umrahmt wurde. Junge Frauen wie sie wuchsen in dem sicheren Wissen auf, dass sich die eigene Ratlosigkeit am Ende in Zufriedenheit auflösen und sie den richtigen Platz in der Welt finden würden.
    Thomas hob sein Weinglas – durchschnittliche Qualität, zürnte er, nur gut, dass sie wenigstens die Preisetiketten entfernt hatte … Für einen Moment drängte es ihn, den Gästen zu erklären, dass seine Wohnung nur provisorisch eingerichtet sei. Das gesamte Inventar sei von jenen Vandalen zerstört worden, die auch Hannah Stein umgebracht hatten, die geliebte jüdische Hausdame. Aber diese Trumpfkarte, das schwere Schicksal, das sie miteinander teilten, wollte er erst ins Spiel bringen, wenn keine andere Wahl mehr blieb. Er hatte Erika nichts vom Tod Hannah Steins erzählt, hatte die Umstände der Verwüstung als Missverständnis bezeichnet.
    »Heute Morgen habe ich Helmut Wohlthat zu einem Treffen mit Geschäftsleuten aus Japan begleitet«, begann Thomas gelassen. »Ich habe ihm berichtet, die Verhandlungen über den Verkauf des Bankhauses Bamberburg

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