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Gute Leute: Roman (German Edition)

Gute Leute: Roman (German Edition)

Titel: Gute Leute: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nir Baram
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seine Kieselsteine in der Hand hüpfen und schloss dann die Finger zu einer eisernen Faust darum. »Ihre beherzten Worte über die Juden, die deutsche Ideen entstellen, klingen mir noch im Kopf nach«, sagte er zu Thomas. »Jetzt retten Sie also im Grunde genommen Deutschland vor den Juden …«
    »Ich habe nur unsere Arbeitsmethoden umrissen.«
    »… dabei waren Sie bis zuletzt noch mit der Errettung von Juden aus Deutschland beschäftigt«, vollendete Bauer seinen Satz, als hätte er Thomas gar nicht gehört.
    »Wir sollten nicht unsere Zeit auf üble Nachrede verschwenden«, beeilte sich Thomas zu parieren, während er noch überlegte, ob Bauer wohl Hannah Stein oder Erika Gelber oder womöglich beide gemeint hatte. »Außerdem ist es nicht an Ihnen, über mein Opfer für das Reich zu urteilen. In der Kampfzeit unserer Partei, als Sie als Pennäler noch Latein gepaukt haben, hat mein Vater dem Reich schon alles gegeben.«
    »Meine Herren«, Weller verscheuchte ein paar Fliegen, die vor seinem Gesicht herumschwirrten, und bedachte Bauer mit einem ungehaltenen Blick. »Lassen Sie uns den gegenseitigen Respekt nicht vergessen.«
    »Um wieder zu unserem Thema zurückzukehren, es versteht sich, dass das Modell in einer ersten Phase fragmentarisch sein wird, aber selbstverständlich werden wir es so lange verbessern, bis es zur Vollkommenheit gelangt ist!«, verkündete Thomas aufgeräumt, ermutigt durch den Umstand, dass inzwischen auch Weller offenbar genug von Bauer hatte. »Schauen Sie, meine Herren, der Drache ist vom Himmel gefallen, aber die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt steigt und steigt. Es gibt auf der ganzen Welt keine Organisation, die sich effektiver um das Wohl des Volkes verdient gemacht hat!«
    »Mit der Kohle, die ich denen gespendet habe, ließe sich eine ganze Stadt beheizen«, prahlte Wellers Adlatus.
    Thomas legte ein wenig Timbre in seine Stimme und berichtete, dass er am gestrigen Tage der Organisation einige ausgewählte Stücke aus der Garderobe seiner geliebten, erst kürzlich verschiedenen Mutter gespendet habe und wie glücklich er gewesen sei zu wissen, dass diese Kleider so viele Damen erfreuen würden. Er rammte den Löffel in den Strudel und zerkaute die Äpfel mitsamt dem blättrigen Teig.
    »Auch Sie, Hauptsturmführer«, wandte er sich dann an Bauer – ein bisschen Siegergroßmut konnte nicht schaden –, »werden sicher eine hübsche Spende für die bedürftigen Söhne unseres Vaterlandes erübrigen.«
    Voller Tatendrang kehrte er nach Hause zurück und bemerkte sogleich das Fehlen von Klarissas Mantel mit dem roten Kragen. Sie war am Morgen mit einer Gruppe von NSV-Mädeln nach Westfalen gefahren, um in den Ortschaften und Dörfern dort die gespendeten Sachen zu verteilen, die sie gesammelt hatten. Anlässlich der Reise hatte sie alle überflüssigen Dinge aus dem Haus geschafft: einen Mantel, Schuhe, Hefte, Schulbücher. Und schließlich hatte sie auch die Garderobe seiner Mutter zusammengepackt, seine widerwillige Spende an ihre Organisation.
    »Alles gut und schön, aber die Kleidungsstücke haben auch einen sentimentalen Wert«, hatte er ihr gegenüber geklagt, als sie alles in einer großen Kiste verstaute.
    »Du selbst hast mich gelehrt, dass der zwanghafte Blick auf die ›gute alte Zeit‹ die schlimmste Krankheit der deutschen Volksseele ist. Ein Zuhause ist kein Museum zum Gedenken an die Toten, wohl aber ein Ort, an dem Menschen leben.« (Nicht etwa »ein Mann«, sondern »Menschen«, wie er insgeheim registriert hatte.)
    »Hast du Karlchen gesagt, dass du fährst? Wenn nicht, wird er jeden Morgen hier antreten«, sagte er mit gespieltem Ärger.
    »Natürlich habe ich es ihm gesagt, sei unbesorgt«, lächelte Klarissa. »Ich habe ihn gewarnt, dir nicht zu nahe zu kommen. Du machst ihm ein bisschen Angst.«
    In den zurückliegenden Wochen hatte sie zumeist im Zimmer seiner Mutter geschlafen und führte ihm, anstatt eine Miete zu zahlen, den Haushalt. Manchmal kam sie spät in der Nacht erst wieder, ein bisschen angetrunken, in einem Sommerkleid aus hauchdünnem Stoff und mit wöchentlich wechselnder Frisur, während er im Salon saß, in einem Buch las oder alle möglichen »geschäftlichen Vorstöße« plante, recht eigentlich aber nur den Moment erwartete, in dem sie zurückkäme und in ihrer ganzen Pracht vor ihm stände, die Wangen gerötet, kichernd, sich an einer Wand abstützend, die hochhackigen Schuhe in der Hand. Er tat interessiert, fragte, wo sie

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