Gute liegt so nah...
luden mich zum Essen in ein teures Restaurant ein, wo sie für mich bestellten, damit ich meinen Kummer vergessen konnte. „Er war bloß ein Schönling“, lautete Curtis’ Bilanz. „Du wirst einen anderen finden. Jemanden, der ein bisschen geistvoller ist.“
„Auf jeden Fall“, pflichtete Mitch ihm bei und leerte seinen Martini.
Selbst meine Eltern waren nicht außer sich. „Ach Liebes, dir wird schon noch der Richtige über den Weg laufen“, tröstete mein Dad mich. „Joe ist ja wirklich ein netter Kerl und so, aber …“
„Aber was?“, hakte ich nach, weil ich die Bestätigung brauchte. Gleichzeitig verachtete ich mich dafür.
„Er ist nicht die hellste Birne im Kronleuchter, Schätzchen.“
Es half nichts.
Zu meiner Zerknirschung kam hinzu, dass ich Joes liebe, unbekümmerte Art vermisste. Mir fehlte das Kribbeln, das sich in mir ausbreitete, sobald ich ihn sah, seine Schönheit, die körperliche Nähe. Ich trauerte der Zeit nach, bevor wir zusammengekommen waren, als es mir vollauf genügt hatte, nur an ihn zu denken. Sehen wir der Wahrheit ins Auge: Ich hatte mein lebenslanges Hobby verloren.
Früher hatte ich geglaubt, Joe würde einen wichtigen Teil meiner Zukunft ausmachen, und Tatsache war, dass ich mir nie vorgestellt hatte, mit jemand anderem zusammen zu sein. Plötzlich lagen meine Dreißiger unendlich trostlos vor mir, denn ich hatte nur noch Digger und sein eigenartiges Verdauungsproblem, das mich jeden Abend begrüßte. Kein Mensch würde mehr die unbarmherzige Stille meines Hauses stören.
Nur in Gegenwart meiner Patienten fühlte ich mich noch normal, doch ließ der Betrieb in der Klinik allmählich nach, sodass ich selbst dort viel zu viel Zeit hatte. Der neue Anbau im Seniorenheim war fast fertig, und mittlerweile besuchte ich zweimal die Woche Patienten dort. Manchmal schaute ich auch spontan vorbei – aber nur, wenn Joes Pick-up nicht auf dem Parkplatz stand. Die Bewohner kannten mich inzwischen alle, und es half mir über meine Zerknirschung hinweg, dass ich für sie Dr. Barnes sein konnte. Ich hielt mich so lange wie möglich in den Zimmern meiner Patienten auf, las ihnen vor und stellte ihnen Fragen über ihr Leben, ehe ich über die Gänge davonschlich und darum betete, Joe nicht zu begegnen.
Im September waren die Tage schon kühler, und abends wurde es früher dunkel. Das Meer sah nicht mehr so grün aus, sondern eher grau, und der Wind war manchmal so kalt, dass ich mir bei meinen Abendspaziergängen am Strand eine Mütze aufsetzte. Der Giftsumach verfärbte sich allmählich rot, die Touristen reisten ab und die Kids mussten wieder zur Schule. In meinem stillen Haus drängte sich mir der ständig gleiche, immer lauter werdende Gedanke auf.
Jahrelang hatte ich geglaubt, Joe vereine in sich so wunderbare Eigenschaften wie Freundlichkeit, Anständigkeit und Verlässlichkeit. Dabei kannte ich nur einen einzigen Mann, der all diese Charakterzüge besaß, und das war nicht Joe – sondern Sam.
An den vergangenen Wochenenden hatten Sam und Danny verschiedene Colleges im Nordosten besucht – Williams, Wesleyan, Colby sowie Penn –, deshalb bekam ich sie nur selten zu Gesicht. Das war mir ganz recht, denn das Durcheinander in meinem Kopf war schon groß genug, auch ohne dass ich über die Tatsache nachgrübelte, dass der Exmann meiner Schwester über all die Eigenschaften verfügte, die ich mir bei Joe gewünscht hatte.
27. KAPITEL
D r. Whitaker gab mir Gelegenheit, mich aus meinem Trübsinn zu befreien.
„Millie“, sagte er eines Tages Ende September am Telefon, „ich würde mich gern über eine Partnerschaft mit Ihnen unterhalten, jetzt, wo die Klinik über den Winter schließt. Wann eigentlich genau?“
Mir stockte der Atem. „Wir schließen in der Woche nach Columbus Day“, antwortete ich ruhig.
„Richtig. Auf jeden Fall haben Sie sehr gute Arbeit im Seniorenheim geleistet, und mit Ihrer Arbeit in der Klinik war ich auch sehr zufrieden. Sollten Sie also nach wie vor Interesse haben an einer Teilhaberschaft, sollten wir uns demnächst mal über die Details unterhalten. Was meinen Sie?“
Ich sprang auf. Endlich! „Ich bin absolut noch daran interessiert, Dr. … George. Vielen Dank, ich fühle mich geehrt.“ Ich strahlte.
„Ausgezeichnet. Wollen wir uns nächsten Donnerstag zum Abendessen bei mir zu Hause treffen?“
„Das wäre wunderbar“, erwiderte ich.
„Da ist noch etwas, eine Art Gefallen, um den ich Sie bitten möchte“, fuhr der Doktor
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