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Gute liegt so nah...

Gute liegt so nah...

Titel: Gute liegt so nah... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Higgins
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… Orthopädie, in der … also, das Wort leitet sich vom griechischen Begriff ‚ortho‘ ab, was so viel bedeutet wie …“ Was bedeutete es eigentlich? Mein Kopf war leer. Oh Sam. „Tja, dann gibt es noch die Gynäkologie … nein, über die reden wir nicht, nehmen wir lieber die Pathologie, die ist lustig. Das ist der medizinische Bereich, der sich ausschließlich mit Toten beschäftigt. Man macht Autopsien, um Todesursachen zu klären. Solche Sachen. Das ist toll. Na ja, nicht toll, ich meinte interessant. Es ist eine interessante Tätigkeit.“
    Das lief ganz und gar nicht gut. „Wie gesagt, die Medizin gliedert sich in zahlreiche Teilgebiete auf. Ihr wählt im Studium eines aus. Noch Fragen?“
    Die Studenten sollten sich ihre Fragen bis zum Schluss aufheben, aber so konnte ich nicht weitermachen. Zum Glück hob ein Mädchen die Hand.
    „Was für eine Ärztin sind Sie?“
    „Ich? Oh, ich bin Ärztin für Allgemeinmedizin, eine Hausärztin. Ich behandle alle möglichen Leute, Kinder, Erwachsene. Aber falls jemand ein echtes Problem hat, zum Beispiel herzkrank ist oder eine wirklich schlimme Krankheit hat, schicken wir ihn zu jemand anderem.“ Wow, das klang, als wären wir Hausärzte völlig inkompetent! „Wir sind für allgemeine Erkrankungen zuständig. Leute mit einer Streptokokkeninfektion kommen zu uns. Oder solche, die abnehmen wollen. Wir erklären ihnen, wie’s geht.“ Ich blickte ins Publikum, auf der Suche nach Inspiration. „Akneprobleme? Wir helfen.“
    Du lieber Himmel, holt mich von dieser Bühne, und zwar sofort! „Nächste Frage?“
    Danny hatte Erbarmen mit mir. „Millie, warum bist du praktische Ärztin geworden?“
    Meine Panik legte sich ein wenig. „Hm, ich glaube, ich wollte meine Patienten richtig kennenlernen. Häufig handelt es sich nur um Routinesachen wie Ohrenschmerzen, Ausschlag oder Fieber. Aber die Menschen beziehen den praktischen Arzt in ihr Leben mit ein, sie vertrauen darauf, dass er ihnen helfen wird. Sicher gibt es medizinische Fachbereiche, die wissenschaftlich gesehen aufregender sind. Wiederherstellungschirurgie zum Beispiel oder Unfallmedizin. Aber der Allgemeinmediziner hilft den Leuten bei ihren alltäglichen Problemen. Er ist für sie in ihrem Alltag da, und genau das wollte ich immer.“
    Dannys strahlendes Gesicht bestätigte mir, dass ich – endlich – etwas Vernünftiges von mir gegeben hatte.
    Irgendwann war dieser Informationstag zu Ende, und ich machte mich so schnell wie möglich aus dem Staub. Glücklicherweise musste ich zur Spätschicht in der Klinik sein. Ich verdrängte meine Gedanken an Sam und konzentrierte mich ausführlich auf die verschiedenen Patienten, um ja keinen Leerlauf zu haben. Als ich gegen zehn endlich nach Hause kam, schnappte ich mir Diggers Leine und machte mit ihm einen Spaziergang zum Strand am Leuchtturm. Dort lauschte ich den Wellen und stellte mich der neuen Wahrheit, von der ich den ganzen Tag lang nichts hatte wissen wollen.
    Ich liebte Sam. Ich hatte keine Ahnung, wann das passiert war, aber so war es. Anzeichen hatte es genug gegeben in den vergangenen Monaten, wenn ich es mir genau überlegte, aber ich hatte nie die einzelnen Puzzleteile zusammengefügt und die korrekte Diagnose erstellt. Bis heute. Ich liebte Sam Nickerson und war sehr erstaunt, dass mir das nie bewusst geworden war.
    Alles, was ich mir bei Joe gewünscht hatte, verkörperte Sam. Und zwar schon immer.
    Eine sanfte Brise wehte den Geruch eines Feuers herüber und den salzigen Duft des Meeres. Digger stupste meine Hand mit der Schnauze an, und ich streichelte seinen Kopf, bevor ich ihn von der Leine ließ. Ich beobachtete, wie er fröhlich über den Strand tobte. Seine weißen Flecken im Fell leuchteten in der Dunkelheit. Ich setzte mich in den feuchten Sand, sah aufs Meer hinaus und zählte die Sekunden, in denen das Leuchtfeuer vom Nauset Light über die Wellen strich.
    Das mit Joe war eine Kleinigkeit, leichter Wellengang im Vergleich zu meiner jetzigen Situation, die mir so gewaltig wie ein Tsunami vorkam. Ich war verliebt in den einzigen Mann, der – abgesehen von meinem Dad – tabu für mich war. Offenbar hatte ich vollkommen den Verstand verloren.
    Digger kam zurück und roch nach Meer. Er ließ sich neben mir in den Sand plumpsen, sein Fell war sandig und feucht. Ich kraulte ihn hinter den Ohren und schaute zu, wie der Himmel sich dunkelblau verfärbte. In wenigen Stunden kam der Morgen. Meine Beine fühlten sich taub an vom langen

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