Gute liegt so nah...
was man tun muss.
Joe wohnte in einer kleinen unbefestigten Straße in der Nähe vom Strand. Sie lag nicht nah genug am Meer für eine ultrabegehrte Wohngegend, außerdem war die Route 6 nah genug, dass man den Verkehr im Sommer hörte. Joe wohnte hier schon sein ganzes Leben. Als seine Mom vor drei Jahren vom Cape wegzog, übernahm Joe das Haus von ihr. Es handelte sich um ein geräumiges kleines Häuschen mit zwei Anbauten, sodass es weder dem Ranchstil noch dem für Cape Cod typischen Baustil entsprach. Aber es besaß eine hübsche Veranda, lag ungestört und war umgeben von Kiefern und Gagelstrauch. Natürlich hatte ich es nie betreten, aber da Joe Zimmermann war, hätte ich darauf wetten können, dass es drinnen sehr gemütlich war.
Und so kämpfte ich eines Morgens gegen Viertel vor sechs, als nur Fischer und Möwen schon unterwegs waren, gegen eine vertraute Mischung aus Hochgefühl und Verlegenheit an, fuhr quer durch die Stadt, parkte an der katholischen Kirche und machte mich auf den Weg zu Joes Straße. Das Stalking konnte beginnen.
Der Frühlingsgesang der Vögel schallte von den Bäumen, und obwohl wir schon Anfang Mai hatten, lag die Temperatur nachts noch unter zehn Grad, weshalb die Luft kühl und feucht war. Mich fröstelte. Digger musste zu seinem Leidwesen zu Hause bleiben, aber mit einem Hund, der einen ständig abschleckte, mit dem Schwanz wedelte und überall Haufen machte, konnte man nicht vernünftig stalken.
Bis vor Kurzem hatte Joes Straße nicht einmal einen Namen gehabt, denn es war einfach nur ein unbefestigter Weg, der von der Herringbrook Road abzweigte. Wissen Sie, wo die Carpenters wohnen? Und die Lynches? Und die Snows? Nicht John Snow, sondern Nick Snow. So beschrieben wir auf Cape Cod diesen holprigen sandigen Pfad. Aber die Auswärtigen, die sich in den letzten Jahren auf dem Cape breitgemacht hatten, verlangten eine anständige Adresse für ihre Sommerhäuschen. Deshalb hieß Joes Straße inzwischen Thistleberry Way.
Ich ging den Weg entlang, der kaum breit genug für ein Auto war. Joes Auffahrt war die letzte im Thistleberry Way. Je näher ich kam, desto heftiger pochte mein Herz. Das Problem beim Stalken war nämlich, dass man erwischt werden konnte, und das wäre absolut demütigend. Schließlich gab es nicht den geringsten Grund, warum ich mich in der Nähe von Joes Haus aufhalten sollte … abgesehen von dem, den ich tatsächlich hatte. „Oh, hallo Joe! Ich war auf dem Heimweg vom Krankenhaus, und mein Wagen ist liegen geblieben. Da wollte ich Mr Snow fragen, ob ich sein Telefon benutzen kann.“
Eine tadellose, gut vorbereitete Ausrede. Trotzdem wäre es schrecklich peinlich geworden, denn ich wusste genau, dass ich nicht die erste Frau war, die in Joes Straße herumlungerte.
Na schön. Da war seine Auffahrt. Ich ging auf der anderen Straßenseite in Position, etwa zehn Meter in den Wald hinein, sodass ich durch die niedrigen Bäume und das dichte Unterholz gut getarnt war. Überall wucherte Giftsumach, doch ich fand eine geschützte Stelle, an der es kein bösartiges Unkraut gab, von der aus ich aber einen guten Blick auf Joes Auffahrt hatte. Ich ging in die Hocke, damit ich keinen nassen Hintern bekam, und wartete.
Diese Stalking-Episode kam mir weitaus deprimierender vor als die letzte, da war ich allerdings auch noch Medizinstudentin im ersten Semester gewesen. Ich besaß keinerlei Stolz, noch hatte ich sonst etwas zu verlieren. Außerdem war Katie dabei, das machte es spaßiger. Wir kicherten und flüsterten die ganze Zeit und wären vor Lachen fast umgefallen. Ständig mussten wir uns den Ärmel vor den Mund halten, wenn wir mal wieder losprusteten. Obwohl mein Joggingplan nun mal davon abhing, dass Joe zur vermuteten Zeit das Haus verließ, war mir gleichzeitig schmerzlich bewusst, wie albern das war, was ich hier tat. Ärztin aus dem Ort dabei ertappt, wie sie attraktiven Mann belästigt – Anzeige läuft.
6:05. Die Vögel hatten sich ein bisschen beruhigt und machten sich an die Arbeit, suchten Würmer und Insekten und solches Zeug. Der Wind legte sich und strich leise durch die jungen Blätter. Meine Füße kribbelten wegen meiner abgeklemmten Blutzufuhr in dieser Haltung. Das Kribbeln verwandelte sich rasch in Schmerz. Ohne mich aufzurichten, streckte ich ein Bein aus und kippte prompt um. Ich landete im kalten Matsch, der meine Hose durchweichte, sodass ich noch mehr fror und mir noch dämlicher vorkam.
6:15. Ich hörte die Geräusche der
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