Gute liegt so nah...
als sie sich meldete. „Hallo, ich bin’s“, sagte ich gut gelaunt. „Schlechter Zeitpunkt?“
„Nein, es passt“, versicherte sie mir unbekümmert. „Bleib dran, ich verschwinde im Wandschrank.“
Ich wartete, während sie sich vor ihren Söhnen versteckte. Einer stieß einen schrillen Schrei aus, dann folgte ein weiteres Krachen.
„Musst du Schluss machen?“, fragte ich, denn ich sah bereits eines meiner Patenkinder mit blutüberströmtem Gesicht vor mir.
„Nein, die spielen nur. Was gibt’s?“
„Mehrere Dinge“, sagte ich und streckte mich behaglich auf meiner Couch aus. Es hatte schon seine Vorteile, Single und kinderlos zu sein. Zum Beispiel dass man völlig ungestört telefonieren konnte. „Sam war neulich hier. Ich finde, wir sollten wirklich mal mit ihm ausgehen. Er ist noch immer ein bisschen bedrückt.“ Zwar hatte er auf mich einen ganz normalen Eindruck gemacht, aber das lag wohl daran, dass er mit Danny zusammen gewesen war.
„Na klar“, stimmte Katie zu. „Sag nur ein paar Tage vorher Bescheid.“
„Großartig. Die andere Sache ist, na ja, ehrlich gesagt geht es um Joe.“
„Was ist denn los?“
„Ich bin bereit, meinen ersten Schritt zu tun.“
„Ausgezeichnet“, meinte Katie aufmunternd.
„Kann ich dir meinen Plan erläutern?“, fragte ich und kam mir vor wie eine Achtklässlerin.
Katie lachte. „Leg los.“
„Ich habe mir überlegt, dass es nicht schlecht wäre, wenn er mich beim Joggen trifft. Da könnte er gleich erkennen, wie gut ich in Form bin. Außerdem sieht er dabei Digger und weiß, dass wir beide Hunde mögen. Und wenn wir uns dann beim nächsten Mal begegnen, können wir uns darüber unterhalten.“
„Das hört sich durchdacht an.“ Katies Stimme klang plötzlich gedämpft. „Michael, wenn du das noch einmal machst, nehme ich dir diesen Mülllaster für neunzehn Tage weg!“
„Ich dachte, du bist im Wandschrank“, sagte ich.
„Bin ich auch. Aber das heißt nicht, dass ich nicht genau weiß, was da draußen los ist.“
„Und wieso ausgerechnet neunzehn Tage?“
„Nur so. Er glaubt, das sei für immer“, erklärte sie amüsiert.
„Du findest die Idee mit dem Joggen also okay?“, fragte ich, weil ich Bestätigung brauchte.
„Ja, das klingt gut.“ Im Hintergrund hörte ich Michaels gelispeltes Jammern. „Sie haben mich entdeckt“, sagte meine Freundin. „Jetzt muss ich wirklich Schluss machen.“
„Kein Problem. Vielen Dank. Ich sage dir wegen Sam Bescheid.“
Mit Katies Zustimmung machte ich mich daran, die nächste zufällige Begegnung mit Joe zu inszenieren. Ich stellte mir Folgendes vor:
Ich jogge die Nauset Road entlang, Digger trottet treu an meiner Seite. Ich trage eine Joggingshorts aus Nylon und ein T-Shirt mit einem originellen, markigen Spruch. Was sehe ich plötzlich? Ja, tatsächlich Joe Carpenter in seinem Pick-up! Er fährt langsamer, um sich diese sexy Kurven mal genauer anzusehen, und dann erst er kennt er, dass es sich um sei ne alte Klassenkameradin Millie Barnes handelt! „Hallo Millie“, ruft er freudig überrascht. „Ich wusste ja gar nicht, dass du joggst.“
Ich bleibe stehen, kein bisschen außer Atem (weil ich meinen Wagen bei der Ranger Station, eine halbe Meile entfernt, versteckt habe).
„Hallo Joe!“, sage ich und bücke mich, um meinen wundervollen Hund zu streicheln. „Wie geht es dir?“ Wir plaudern weiter. Lachen ein wenig. Es folgen anerkennende Blicke auf eine sportliche Figur (seine Blicke, meine Figur). Wir unterhalten uns, bis jemand wütend hupt und Joe weiterfahren muss, was er sehr bedauert. Er beobachtet mich im Rückspiegel, wie ich leichtfüßig weiterjogge, bis sein Wagen um die Kurve verschwindet und er mich nicht mehr sehen kann (wie ich gemächlich zu meinem Wagen zurückgehe).
Joe fährt jeden Morgen um halb sieben zur Arbeit, das habe ich schon vor Jahren bei einer meiner Stalking-Expeditionen in Erfahrung gebracht. Aber das Timing war nun einmal entscheidend für meine kleine Joggingvorstellung, deshalb musste ich sicher sein.
Wir haben doch alle schon mal Dinge getan, auf die wir nicht besonders stolz sind, oder? Dinge, die wir weder unseren Freunden noch unseren Eltern oder Kindern anvertrauen würden. Meine Besessenheit von Joe gehörte zu diesen Dingen. Es war schlimm genug, mein halbes Leben lang heimlich in einen Mann verliebt zu sein, aber ihm mit neunundzwanzigeinhalb immer noch nachzustellen, war einfach nur peinlich. Aber was sollte ich machen? Man tut,
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