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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Eigenschaft als mein Stiefvater über diese Schenkel legen und mir mit seiner dicken Hand den Hintern vollhauen würde. Der Mund unter seinem Schnurrbart sah grausam und gewissermaßen wölfisch aus. Ich vergaß für einen Augenblick direkt, an Jakob zu denken.
    Die Mama erklärte ihm, was dort oben krächzte. »Ach, das arme Vögelchen! Sie haben doch gewiß nichts dagegen, wenn wir es einmal herausnehmen?«
    Die dicke Frau hatte nichts dagegen, obwohl sie etwas zweifelhaft dreinsah. Sie trug einen flachen Hut aus schwarzem Stroh mit nachgemachten Kirschen und zwei Veilchenbüschen darauf.
    Der Wölfische wandte sich darauf nach der anderen Seite an einen alten Herrn, dem ein goldenes Pincenez über die wegen der Hitze geöffnete weiße Weste hing. Der Herr hatte auch nichts dagegen, denn er schlief und röchelte unter seinem weißen Schnurrbart. Das übrige Abteil blieb indifferent, nur Jakob sagte in die Stille laut und erschreckend deutlich: »Armleuchter!«, gefolgt von wütenden Hieben gegen die Gefängnisstäbe. Ein paar Holzspäne segelten durch die Gegend. Ein scheues Paar in der einen Ecke, das die ganze Zeit Hand in Hand gesessen hatte, sah sich erschrocken an, ob es wohl recht gehört habe.
    Aus dem Herunterholen des Transportbauers machte der Wölfische einen Kraftakt, bei dem er alle Muskeln spielen ließ. Er stieg mit den Füßen auf die gegenüberliegende Bank, und die Mama mußte ihn an der Wade festhalten. Endlich hatte er das Bauer unten und überreichte es mir mit einem pompösen Schwung.
    »Da, mein Junge, jetzt kannst du dir deinen kleinen Freund selbst herausholen!«
    Jeder Ton, den er sagte, klang mir falsch im Ohr, aber um Jakobs willen sagte ich sehr höflich; »Ich danke Ihnen auch schön!«
    »Netter Bub!« sagte der Mann zur Mama.
    Bub!
    Die Befreiung Jakobs aus dem Gefängnis war gar nicht so einfach; denn ich hatte ihn mit dem Kopf zuerst hineingepfercht, und umdrehen konnte er sich wie gesagt nicht. Ich versuchte ihn vorsichtig am Schwanz herauszuziehen, aber er begriff nicht, daß dieses Manöver seiner Befreiung dienen sollte, und tobte so, daß ich fürchtete, er bekäme einen Herzschlag. Der Wölfische holte darauf ein mit zahlreichen Klingen versehenes Taschenmesser hervor und erklärte, er werde nunmehr die Gitterstäbe durchschneiden. Als er es versuchte, hackte ihm Jakob in den Finger, und er steckte den Finger mit einem sehr bösen Gesicht in den Mund.
    »Vielleicht... hm... wenn man den Boden des Käfigs öffnete?« sagte der männliche Teil des scheuen Paares.
    Das war es! Der Boden war nämlich herauszuschieben, schon wegen der Reinigung. Ich schob. Jakob Fiel zu seinem eigenen größten Erstaunen heraus und saß ein paar Sekunden dünn und erschrocken zwischen Apfelsinenschalen und Zigarettenstummeln auf dem Boden des Abteils. Alle zogen die Füße ein. Ich griff ihn, holte ihn an meine Brust, bis er sich beruhigte, die Tolle sträubte und schließlich ganz normal auf meinem Finger saß. Nun fanden ihn alle >süß< und wollten wissen, was er fräße. Der Wölfische hielt ihm mit Heldenmut trotz der schlechten Erfahrungen die Hand hin und erklärte mit einem tiefen Blick in die Augen der Mama, man dürfe Tieren und Menschen gegenüber niemals Angst haben. Jakob sah sich den fremden dicken Finger zurückhaltend an, hackte einmal unverbindlich gegen den klotzigen Siegelring, der den Finger zierte wie eine Zigarrenbauchbinde, stieg dann aber schließlich über.
    »Na, bitte!« sagte der Wölfische und sah sich triumphierend um. Jakob schien das als Aufforderung zu betrachten, turnte den Ärmel aufwärts und setzte sich dem Kerl auf die Schulter. »Kakao!« verkündete er von dort aus und ließ etwas auf die Schulter fallen.
    Ich erschrak. Die Mama hob entsetzt die Hand vor den Mund, aber niemand sonst sagte etwas. Alles grinste nur. Offenbar hatten sie den Wölfischen nicht gern.
    Er blitzte, ohne von seiner Bekleckerung etwas zu ahnen, die Mama mit seinen weißgewienerten Reklamezähnen an: »Keine Angst, gnädige Frau!«
    Vorsichtig führte er die Hand gegen die linke Schulter. Wenn er jetzt in den Klecks faßt, ist es aus! dachte ich. Er tat es aber nicht, Jakob stieg jedoch auch nicht auf seinen Finger, sondern sah ihn sich mißbilligend mit schiefem Kopf an und machte statt dessen einen Hupf auf den Strohhut der dicken Frau, wo er umgehend begann, die künstlichen Kirschen abzumontieren. Die Frau saß schreckerstarrt unter dem Gehämmer in ihrem Obergeschoß und machte

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