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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Augen wie Setzeier. Der Wölfische, der Mama fröhlich-boshaft zuzwinkerte, sprang galant auf und griff nach Jakob: »Nein, so haben wir nicht gewettet, mein Junge — gestatten, gnädige Frau...«
    Die Dicke wogte mit dem Busen und sah ihn dankbar an. Jakob aber ließ sich nicht greifen, sondern produzierte einen Klecks auf den Strohhut, umsegelte den Störenfried mit einer eleganten Kurve und landete auf dem Knie des schlafenden Herrn mit dem Pincenez.
    Dieses Pincenez hing an einer schwarzen Gummischnur und erregte alsbald Jakobs Aufmerksamkeit. Zunächst entdeckte er, daß man sich in den Gläsern spiegeln konnte. Er sah erst mit dem einen, dann mit dem anderen Auge hinein, breitete dann die Flügel aus und vollführte vor seinem Ebenbild einen kleinen, rührenden Tanz. Mir kamen die Tränen, und die ganze Einsamkeit des kleinen Gesellen wurde mir plötzlich klar, den das Schicksal für immer der Gesellschaft seiner Brüder beraubt hatte. Das übrige Abteil hielt den Atem an und schien offensichtlich ebenfalls gerührt.
    Jakob hatte jedoch den Spiegeltanz bald satt und versuchte nun, unter atemloser Anteilnahme des ganzen Kupees, den Kneifer abzureißen. Er packte den auf dem sanft atmenden Bauch liegenden Apparat und zog die Gummischnur, auf dem Schenkel rückwärts schreitend, aus Leibeskräften in die Länge. Auf diese Weise kam er schließlich bis ans Knie und geriet ins Rutschen. Erschrocken ließ er die Schnur los, die nun mit dem Kneifer dem Schnarchenden wie ein Geschoß direkt an die Nase flog. Das Schnarchen verstummte, der alte Herr öffnete die Augen, sah den schwarzen Teufel auf seinem Knie, schüttelte den Kopf und schloß gleich wieder die Augen. Ich konnte mir denken, was er dachte: Ungefähr: Komisch, was man so für ungereimtes Zeug zusammenträumt — sitzt einem plötzlich eine Krähe auf dem Knie! Wahrscheinlich zu fett gefrühstückt! Er warf sich mit einem so gewaltigen Schnarcher auf die Seite, daß Jakob erschrocken auf flatterte und schließlich auf dem Griff der Notbremse über der Eingangstür landete.
    Im gleichen Augenblick schnarrte die Tür auf, und der Kontrolleur wurde sichtbar, eine wagnerische Erscheinung mit rötlichem Vollbart, strengen blauen Augen und einer noch blaueren, steifen Mütze.
    »Die Fahrkarten!« donnerte er in einem Ton, als betrete er eine Schaluppe voller Seeräuber mit der Pistole in der Faust. Ich blickte zu ihm auf wie zum. Donnergott Thor. Die anderen betrachteten ihn teils eingeschüchtert, teils giftig und begannen, in ihren Koffern, Hosentaschen, Manteltaschen, Brillenetuis und Frühstückspaketen nach den Fahrkarten zu suchen. Die meisten fanden sie zunächst nicht. In diesem Augenblick machte Jakob dem Donnergott von oben herab auf die Dienstmütze. Es schien mir ein besonders ausgedehnter Klecks zu sein, zu dessen Abwurf er in die Kniebeuge ging und ihm mit schiefem Kopf aus seiner Notbremsen-Schaukel wohlgefällig nachsah. Mamas Hand krallte sich in meinen Ärmel. Aber der Wölfische, mit dem ihm unbewußten Klecks auf der Schulter, wieherte los, und das ganze Abteil stimmte erlöst ein. Die Majestät des Kontrolleurs fiel zusammen wie eine angestochene Gummiblase. Er sah verwirrt um sich, wurde rot, machte hastig seine Blaustiftstriche (von unten her aus der Faust heraus) auf die Fahrkarten und verschwand, die Tür heftig hinter sich zuknallend.
    Jakob reagierte darauf mit einem Raketenstart in meine Richtung, so daß ich ihn endlich wieder zu fassen bekam und unter meine Jacke verstauen konnte.
    Der Wölfische, dessen männliche Aura einen Augenblick durch die Majestät des kontrollierenden Donnergottes überschattet worden war, konnte sich vor Fröhlichkeit nicht lassen. »Nein... so was, nicht wahr, gnädige Frau... so ein aufgeblasener Kraftprotz... und rennt herum mit diesem Klecks... ohne es zu ahnen! Es gibt doch nichts Komischeres als unbewußte Lächerlichkeit!«
    Worauf der männliche Teil des Turteltaubenpaares in der Ecke ein Lachen anfing, das mit einem dünnen Winseln begann und immer lauter in immer breiteren Kaskaden losbrüllte, bis es das ganze Abteil in seinen Strudel zog, so daß sie schließlich unisono wieherten, bis sie nur noch keuchend mit offenen Mündern dasaßen. Der Wölfische, der im ersten Teil dieser Lachsymphonie noch mitgewirkt hatte, sah schließlich etwas verwirrt um sich. Endlich stieß ihn die Dicke mit dem Klecks auf dem Hut an und keuchte, während ihre Busenfülle auf- und niederstieg: »Wir... lachen doch

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